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0088 - Der Guru aus dem Totenreich

0088 - Der Guru aus dem Totenreich

Titel: 0088 - Der Guru aus dem Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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Immer wieder kam in den Ornamenten das Drachensymbol vor.
    Der heilige Mann kniete sich auf das Fußende des Sarkophags. Formeln, Zaubersprüche, die er noch nie irgendwo gelesen hatte, kamen ihm in den Sinn. Er sprach sie laut und deutlich. Die Wände warfen die alten Atharvavedas zurück, von mehrfachen und verklingenden Echos überlagert.
    Sadhu Shandri veränderte seine Gestalt nicht mehr. Sie blieb die eines abgezehrten, ausgemergelten, knochigen Greises mit eingefallenen Wangen. Im Verlauf der letzten acht Tage hatte er noch mehr an Gewicht verloren. Die Wirbelsäule stach aus dem gekrümmten Rücken.
    Mit dem Verhallen des letzten Tones der Mantras durchfuhr ein kreischendes Knirschen den verborgenen Felsendom. Der Deckel unter Sadhu Shandri bewegte sich wie von Geisterhand geschoben. Die Kraft von sechs starken Männern hätte nicht gereicht, ihn von der Stelle zu bewegen. Jetzt tat er es scheinbar von selbst. Sadhu Shandri blieb in seiner demütigen Pose. Er ergab sich vertrauensvoll in sein Schicksal. Von jetzt an arbeitete sein Wille nicht mehr. Er war ausgeschaltet wie das Flämmchen einer Öllampe, das im Sturm verlosch.
    Eine dunkel gähnende Öffnung tat sich hinter ihm auf. Ein Gestank von unvorstellbarer Gräßlichkeit drang darauf, legte sich auf die Schleimhäute, brachte die Augen zum Tränen. Sadhu Shandri stockte der Atem. Verwesungsgeruch schlug ihm feucht entgegen. Süßlich, penetrant, grauenvoll.
    ***
    Das Mahl auf der Terrasse des Palastes war üppig und raffiniert gewesen. Es hätte jedem Fünf-Sterne-Restaurant zur Ehre gereicht. Genießerin Nicole sparte denn auch nicht mit Lob.
    Zum Schluß wurde noch schwerer roter Wein aus dem Süden Indiens gereicht. Von der Art, wie er an den Berghängen nahe von Madras wuchs. Er stieg Nicole schnell zu Kopf. Ihre Wangen röteten sich. Als strenggläubiger Moslem, wie er sagte, nahm Modjir Brahmul Al Fujieb nicht einen einzigen Tropfen zu sich.
    Dabei glaubte Professor Zamorra bemerkt zu haben, daß ihr Gastgeber ganz deutlich nach Whisky roch, als er sich zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte.
    Der Mond stand schon hoch am Himmel, als Modjir Brahmul die Tafel aufhob. Zamorra spürte eine angenehme Müdigkeit in sich, die er jedoch vorwiegend den Strapazen des Tages zuschrieb. Mißtrauisch wurde er erst, als er aufstehen wollte. Die Beine kamen ihm mit einem Male ungeheuer schwer vor.
    Nicole ging es nicht anders.
    »Oh!« sagte sie überrascht und sank auf ihren Stuhl zurück.
    Ihr Gastgeber lächelte undurchsichtig.
    »Der indische Wein hat es in sich«, meinte er.
    Professor Zamorra ging sofort der Doppelsinn dieser Worte auf. Der Wein hatte es vielleicht wirklich »in sich« gehabt. Er dachte an eine Droge. Anders konnte er sich die plötzliche Mattheit seiner Glieder nicht erklären. Er mußte seinen ganzen Willen aufbieten, um sich von seinem Korbsessel hochzustemmen und dann schwankend zu stehen. Er war nicht alkoholisiert. Das hätte sich anders ausgewirkt. Plötzlich wurde es ihm zur Gewißheit, daß der Wein gepanscht gewesen sein mußte. Er wollte nur mehr in sein Bett. Wollte schlafen, tief und fest schlafen.
    Das Lächeln des Asiaten nahm er nur noch wie durch einen Schleier wahr. Die aufgeworfenen Lippen im gepflegten Bart schienen sich noch mehr in die Breite zu ziehen. Professor Zamorra riß die Augen weit auf. Modjir Brahmuls sonore Stimme drang wie durch Watte zu ihm.
    »Sie fühlen sich nicht ganz wohl, Monsieur? Vielleicht sollten Sie und Ihre reizende Begleiterin nun doch Ihre Gemächer aufsuchen. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Ruhe.«
    Er kreuzte die Arme vor der Brust und verbeugte sich. Dann verschwand er aus ihrem Gesichtsfeld, als wäre er bei einem Film aus dem Bild geblendet worden.
    Nicole kicherte verlegen und wankte auf den Professor zu. Sie kam etwas stürmisch und hätte Zamorra um ein Haar umgeworfen.
    »Mir ist so komisch, Chef!« meinte sie und krallte sich an seinem Blazer fest. »Meinst du, daß ich indischen Wein nicht vertrage? Aber er ist herrlich. Er macht so herrlich müde.«
    Das fand der Professor auch. Er fand sogar, daß er viel zu müde machte. Es erforderte seine ganze Willenkraft, sich nicht einfach auf der Stelle umfallen zu lassen und zu schlafen.
    Die Diener am Eingang zum Palast waren verschwunden. Auf dem Tisch stand das Geschirr vom letzten Gang. Der Geruch von Modjir Brahmuls dünner Zigarre hing noch in der Luft.
    Professor Zamorra kniff die Lippen zu einem Strich zusammen. Mit der einen

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