0088 - Die weißen Teufel von New York
Ermordung der Anwälte Vanderloom und Lish — alles im gleichen Viertel. Und die vier toten Gangster wohnten sogar in diesem Viertel.
Das Marling Building verdiente seinen Namen nicht, wenn man es mit wirklichen Wolkenkratzern verglich. Es hatte höchstens zwölf Stockwerke, von denen die meisten von Geschäften und Büros in Anspruch genommen wurden. Aber ein Schild erregte sofort mein Aufsehen:
»Less Jefferson, Vermittlungen.«
Vermittlungen — das konnte alles und nichts bedeuten. Hinter solchen Firmenbezeichnungen verbergen sich häufig die »seriösen« Gangsterbanden, die nach außen ein makelloses Aushängeschild haben. Diese Banden arbeiten nur für wenige Leute, und es gelingt noch lange nicht jedem, ihre Hilfe zu bekommen bei irgendwelchen lichtscheuen Vorhaben.
Ich ließ den Jaguar langsam an dem Gebäude vorbeirollen, nachdem ich mir die Schilder neben der Tür betrachtet hatte. In der nächsten Querstraße parkte ich den Wagen unter einer Laterne, stieg aus und ging zu Fuß zurück.
Als ich mich dem Hause so weit genähert hatte, daß ich Einzelheiten in den Verzierungen der Tür erkennen konnte, kam ein Mann aus dem Eingang heraus. Er war dabei, sich eine Zigarette anzuzünden und mußte deshalb langsam gehen, weil ihm sonst der Zugwind das Streichholz ausgelöscht hätte.
Die Flamme des Streichholzes beleuchtete sein Gesicht.
Es war einer der acht Gangster, die den Feuerzauber bei Vanderlooms veranstaltet hatten. Als sie mit der Taschenlampe nach der Vogelscheuche geleuchtet hatten, war er einen Minutenbruchteil im Lichtkegel gewesen. Ich erkannte ihn genau wieder.
Er ging in die mir abgewandte Richtung.
Ohne sich umzusehen, marschierte er davon. Ich heftete mich an seine Fersen, wobei ich mir nicht die geringste Mühe gab, das Geräusch meiner Schritte zu dämpfen. Er sah sich nicht um, obgleich er bald meine Schritte hören mußte. Die Burschen waren entweder unglaublich dumm oder sie fühlten sich unbeschreiblich sicher. Vielleicht auch beides.
Nach ein paar Minuten hatte ich ihn eingeholt. Ich zog meine Dienstpistole leise hinter ihm, sprang vor, nahm mit ihm Gleichschritt und drückte ihm die Mündung in den Rücken.
Er wollte sich erschrocken umdrehen, aber ein Druck mit der Pistole zeigte ihm, daß ich das nicht wünschte. »Wa-was ist denn los?« stotterte er. »Schön weitergehen«, sagte ich ganz ruhig. »Dann passiert dir nichts. Immer schön weitergehen!«
Er gehorchte. Dabei war er bis in die Ohrläppchen blaß geworden. Ich dirigierte ihn um den Häuserblock herum und bis in die Seitenstraße, in der mein Jaguar stand.
»Stopp!« sagte ich, als er vor meinem Wagen stand.
Er blieb stehen.
»Weit Vorbeugen und die Hände auf das Dach des Wagens stützen!«
Er tat es. Ich steckte meine Kanone ein und klopfte ihn ab. Aus seinem Schulterhalfter zog ich ihm eine Smith & Wesson 38. Im Ärmel hatte er ein Klappmesser. Im Sockenhalter eine kleine Damenpistole.
»Junge, Junge!« brummte ich. »Ein ganzes Waffenarsenal—hoffentlich auch einen schönen, gültigen Waffenschein. Wie sieht’s denn damit aus, hay?«
Er stieß sich vom Wagendach ab, so daß er wieder gerade stehen konnte.
»Mister«, brummte er bittend, »Sie werden mich doch nicht wegen eines fehlenden Waffenscheins den Bullen verpfeifen, was?«
Ich grinste.
»Gar nicht nötig. Ich bin selber ein Bulle. FBI!«
»Ach du heiliger Himmel!« seufzte er entgeistert. »FBI! Und daß muß ausgerechnet mir passieren. Na schön, Officer, ich geb’s zu, ich habe keinen Waffenschein. Seien Sie gnädig und lassen Sie mich laufen! Die Knalltüten können Sie meinetwegen behalten. Nur das Messer müßte ich wiederhaben.«
»Wie stellst du dir das vor? Ich komme mit zwei Kanonen zu meiner Dienststelle, und wenn mich mein Chef fragt, wem ich sie abgenommen habe, dann muß ich die Achseln zucken und sagen: Chef, ich war gnädig und habe ihn laufen lassen? Mensch, du mußt noch viel lernen, bevor aus dir auch nur ein halber Gangster geworden ist. Im Augenblick bist du nicht mehr als ein billiger Ganove. Los, steig ein! Du fährst! Und wehe, du fährst nicht wie ein junger Gott! Der Wagen ist mein Privateigentum, und da kann ich Beschädigungen nicht vertragen.«
Er ergab sich schweigend in sein Schicksal. Aber offenbar glaubte er noch immer, ich würde nur die Waffengeschichte gegen ihn Vorbringen können. Das konnte ihm nicht mehr als ein paar Wochen kosten.
Nach meinen Anweisungen ließ er den Jaguar durch das abendliche
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