009 - Die Bestien
ihnen noch etwas nach. Robert wandte sich im Sattel um. »Was ist denn?« rief er zurück.
»Ein guter Rat, Herr Sirven: Nehmen Sie sich vor Hurlo in acht!«
»Danke«, erwiderte Robert kühl.
Es war völlig dunkel geworden, als sie das Schloss erreichten. Dort erfuhren sie als erstes, dass zwei Gäste überstürzt abgereist waren.
Am nächsten Tag war wieder so herrliches Wetter wie am vorangegangenen. Robert, Gilles, Catherine und Elina machten am Nachmittag eine längere Autofahrt. Als sie zurückkehrten, herrschte im ganzen Haus wesentlich bessere Stimmung. Die Schlossherrin hatte mit einer Arbeitsvermittlung in Orléans telefoniert, und eine neue Köchin war eingetroffen, eine dicke Frau mit dem Auftreten eines Dragoners, die aber ebenso großartig kochen konnte wie Maria.
Die erste Frage, die ihre neue Dienstherrin ihr stellte, lautete: »Haben Sie Angst vor Gespenstern?«
»Die sollen nur kommen. Ich werde sie mit dem Kochlöffel vertreiben.«
Frau Sirven sagte sich, dass eine beherzte Angestellte auch dem übrigen Personal Mut machen würde.
Der Zustand des Oberst Cour besserte sich übrigens rasch. Dr. Vigour konnte es gar nicht fassen, wie ungewöhnlich schnell die Wunden heilten.
»Morgen kann ich aufstehen«, erklärte der Oberst schon am zweiten Abend. »Und in drei bis vier Tagen werde ich wieder ausreiten. Dann nehme ich mir den verdammten Eber vor.«
»Immer mit der Ruhe! Man wird Ihnen helfen, in den Garten hinab zu gehen, und dort dürfen Sie sich in einen Liegestuhl legen. Das ist aber vorerst auch alles.«
Robert suchte seinen Vater auf, als er von seinem Ausflug ins Dorf zurückkam.
»Hat sich etwas Neues ereignet?« fragte er.
»Nein, nichts. Vielleicht ist der Unsinn jetzt zu Ende.«
»Sind die Hunde zurückgekommen?«
»Nein, noch nicht. Aber ich neige immer mehr zu der Annahme, dass Coutarel sie irgendwo eingesperrt hat. Vielleicht hat er sie sogar durch einen Komplicen irgendwo weit weg von hier verkaufen lassen.«
»Das ist nicht ausgeschlossen. Und Hopkins?«
»Trotz des herrlichen Wetters hat er den ganzen Tag in der Bibliothek verbracht«, erwiderte sein Vater. »Aber heute morgen ist er schon sehr früh ausgegangen.«
Am nächsten Morgen stand Robert schon vor Anbruch des Tages auf. Er hatte sich vorgenommen, den rätselhaften Vorgängen auf den Grund zu gehen. Wenigstens wollte er feststellen, ob die Hunde sich noch irgendwo auf dem Besitz herumtrieben oder nicht. Er nahm ein Gewehr, sattelte sein Pferd und galoppierte in Richtung Teich. Nebelschwaden lagen noch auf den Wiesen. Nur vereinzelt wurde der Ruf eines Vogels laut.
Als er den Teich erreichte, sah er einen Schwarm Wildenten darauf herumschwimmen, doch seine Gegenwart vertrieb das gefiederte Volk. Robert folgte ihrem Flug und entdeckte dabei zahlreiche Falken über seinem Kopf; gut zwei Dutzend. Sie beschrieben ein paar Kreise über dem Teich, zogen dann plötzlich ab und stießen in der Nähe des verfallenen Dorfes alle gleichzeitig in die Tiefe.
Robert fragte sich, ob ein solches Benehmen wohl normal war für Falken. Er wusste es nicht. Nachdenklich ritt er wieder durch den Wald, ohne die Hunde zu sehen oder zu hören. Wenig später kam er zu den Ruinen des alten Dorfes. Er untersuchte noch einmal die Stelle, an der Oberst Cour gelegen hatte, und hielt nach Spuren des verletzten Ebers Ausschau. Der Ort verursachte ein seltsames Unbehagen in ihm. Am liebsten wäre er sofort wieder weiter geritten, doch er zwang sich, die Ruinen genau zu durchsuchen. Eine hob sich von den anderen durch alte hohe düstere Mauern und einen kleinen Turm ab. Sie war zudem von einem tiefen Graben umgeben.
Robert stieg vom Pferd und näherte sich der alten Festung. Zwei umgestürzte Säulen lagen im Gras. Am Fuß der Mauer gähnte ihm ein finsteres Loch entgegen, das vermutlich in die Kellerräume führte.
Das also war das Hexendorf, wie die Bewohner der Umgebung die alte Ruine nannten. Robert nahm sich vor, in der Schlossbibliothek nachzusehen, um Näheres über das Schicksal des Dorfes zu erfahren. Sein Vater und er waren bisher immer zu begierig gewesen, die Vorzüge der Landschaft zu genießen, und hatten dabei die Bibliothek vernachlässigt.
Offen gesagt war er froh, den unheimlichen Ort wieder verlassen zu können. Als er zum ehemaligen Dorffriedhof kam, sah er die Hütte des Wilderers vor sich. Hurlo hatte sie aus Baumstämmen erbaut und mit Stroh gedeckt. Der alte Mann stand vor der Tür. Bei seinem Anblick
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