009 - Die Bestien
sein Komplice.«
»Oder Hurlo«, sagte Robert.
Er berichtete seinem Vater nun auch von dem Gespräch, das er am Morgen mit Hurlo geführt hatte.
»Merkwürdig«, sagte Georges Sirven. »Der Alte ist bestimmt noch intelligenter und geschickter als der Jagdaufseher. Vielleicht haben sie sich alle drei zusammengetan, um uns dazu zu bringen, das Schloss zu verkaufen. So etwas hätte ich Hopkins allerdings nie zugetraut.«
»Vielleicht ist sein Vermögen stärker zusammengeschrumpft, als wir angenommen haben.«
»Oder er ist verrückt geworden. Das scheint mir noch wahrscheinlicher.«
Die Morgennebel hoben sich und die Sonne ging auf. Nach dem Gespräch mit seinem Vater ging Robert in den Park. Dort traf er Catherine, die Blumen schnitt. Sie trug ein helles Sommerkleid und strahlte übers ganze Gesicht.
»Warum so allein?« fragte Robert. »Wo ist denn Gilles?«
»Das Faultier schläft noch. Aber es ist so schön draußen, dass ich es nicht länger im Bett ausgehalten habe.«
Robert half ihr bei der Auswahl der Blumen, und nach einer Weile fragte sie ihn: »Sag’ mal, wie gefällt dir Elina?«
»Sie ist bezaubernd. Nicht nur schön, sondern auch kultiviert.« »Da hast du vollkommen recht. Ich bin froh, dass ihr euch so gut versteht.«
»Kennst du auch ihre Eltern?« fragte Robert.
»Nein. Sie ist eine Waise. Ihre Eltern sind gestorben, als sie noch ganz jung war. Sie ist von einer alten Dame aufgezogen worden. Ich glaube, die Dame war ihre Tante. Sie ist inzwischen auch tot. Elina und ich kennen uns schon seit unserem zehnten Lebensjahr. Wir haben beim selben Klavierlehrer Unterricht gehabt, aber sie hat viel größere Fortschritte gemacht. Elina ist vermögend und völlig unabhängig. Obwohl sie ihren Beruf sehr liebt, sieht sie doch die Ehe mit einem geliebten Mann als das erstrebenswerteste Ziel an.«
Ihr Gespräch wurde durch das Erscheinen von Oberst Cour auf der Terrasse unterbrochen. Der Offizier war in einen braunen Morgenrock gekleidet und kam langsam an zwei Stöcken aus dem Haus. Catherine und Robert gingen zu ihm.
»Ist das nicht ein bisschen verfrüht?« fragte Robert. »Dr.
Vigour wird nicht einverstanden sein.«
»Ach was! Ich fühle mich prächtig«, erwiderte Cour. »Der Arzt hat gestern zu seinem Erstaunen festgestellt, dass sich die Wunden schon fast geschlossen haben. Ich habe es in meinem Zimmer nicht mehr ausgehalten. Würden Sie vielleicht so freundlich sein und mir einen Liegestuhl holen?«
Nachdem man dem Oberst in den Gartenstuhl geholfen hatte, fragte er: »Na, Robert, wann gehen wir denn wieder auf Eberjagd?«
»Daran ist vorläufig noch nicht zu denken. Jetzt müssen Sie erst einmal ganz gesund werden.«
»In zwei, drei Tagen bin ich wieder, wie neu, dank der großartigen Betreuung von Dr. Vigour – und wohl auch dank meiner robusten Konstitution. Ich habe es eilig, mir diesen verflixten Eber vorzuknöpfen, denn ich wundere mich nämlich über etwas.«
»So? Worüber denn?« fragte Catherine.
»Das erzähle ich Ihnen ein andermal«, wehrte der Oberst ab.
Das Mittagessen wurde wieder auf der Terrasse eingenommen. Eulalia, die neue Köchin, hatte sich besondere Mühe mit der Zubereitung der Spanferkel gegeben. Die Hausherrin ließ sie rufen, um sie vor ihren Gästen zu loben.
»Ach, das ist doch nichts Besonderes, gnädige Frau. Da müssen Sie erst mal mein Hühnchen auf Hausfrauenart probieren.«
Die ganze Tischgesellschaft verlangte daraufhin für den kommenden Mittag dieses Gericht.
Am Nachmittag ging man im Garten spazieren und spielte Bridge oder Krocket, ausgenommen die Jugend.
Robert wollte sich gerade zu Elina, Catherine und Gilles auf den Tennisplatz begeben, als sein Vater ihn rief.
»Der Oberst möchte uns sprechen. Er hat sich in die Bibliothek zurückgezogen, wo er auch heute Vormittag schon ein paar Stunden verbracht hat. Ich weiß nicht, was er von uns will.«
Die Bibliothek befand sich im linken Flügel des Schlosses im Parterre. Die Wände des Raumes waren mit Bücherregalen verdeckt, sonst standen hauptsächlich tiefe Sessel herum. Der Oberst hatte neben einem kleinen Tischchen, auf dem er mehrere Bücher gestapelt hatte, Platz genommen. Sein verletztes Bein lag auf einem Hocker.
Als Robert und sein Vater eintraten, ließ der Oberst einige Blätter, die er in der Hand hielt, in einer Schublade verschwinden.
»Nun, lieber Oberst«, sagte Georges Sirven, »sollen wir Ihnen ein wenig Gesellschaft leisten?«
»Ja und nein«, erwiderte
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