009 - Mordaugen
erworben hatte.
Ein
Autounfall, absichtlich herbeigeführt durch einen Verbrecher namens Ron Silker,
hatte ihn an den Rand des Grabes gebracht. Bony war als erster an der Unfallstelle
gewesen und hatte Hilfe herbeigerufen. David Gallun konnte einer Notoperation
unterzogen werden. Die fast zwanzig Zentimeter lange Narbe war noch heute im
Nacken zu sehen. Sie führte hinter dem Ohr aufwärts zum Kopf. Während der
Operation war David Gallun einige Minuten klinisch tot. Doch er konnte ins
Leben zurückgeholt werden. Während der Genesung stellte er erste Anzeichen
einer Veränderung an sich fest. Er merkte, daß er Stimmungen und Gefühle
anderer Menschen empfangen konnte...
Diese
Fähigkeit wollte er am späten Abend einsetzen.
Eine Stunde
Fahrt von New York entfernt lag der Wohnort, in dem Sue Coogan, die Frau des
verschwundenen Forschers, lebte.
In der
Bungalow-Siedlung wohnten viele reiche Leute.
Die Häuser
waren groß und schön, die Gärten erinnerten an Parks. Viele Eingänge waren
romantisch beleuchtet.
Das Haus der
Coogans war nicht ganz so groß. Es lag in einem gepflegten, parkähnlichen
Garten in der Oak-Tree-Road. Sie hatte ihren Namen zu Recht. Überall wuchsen
Eichen, zum Teil mächtige, verkrüppelte Stämme, die seit Menschenalter dort
standen.
Im
Schrittempo steuerte Galluns Diener den weißen Ford Mustang am Haus vorüber.
X-RAY-1
wirkte angespannt. Er empfing Stimmungen und Gefühle, die Erwartung
ausdrückten.
Von der
Straße aus war das Haus kaum zu sehen.
Mit leiser
Stimme forderte Gallun Bony auf, am Ende der Oak-Tree-Road zu wenden und einige
Meter vom Haus der Coogans entfernt auf der anderen Straßenseite zu parken.
»Es ist nur
eine Person im Haus. Missis Coogan...«, bemerkte X-RAY-1. »Sie telefoniert. Es
wird jemand kommen. Ein Mann... «
Seine
Prophezeiung erfüllte sich schon eine halbe Stunde später.
Vom anderen
Ende der Straße näherte sich ein Taxi. Zwanzig Schritte vom Coogan-Haus
entfernt hielt es.
Ein Mann
stieg aus. Er war groß, schlank und dunkelhaarig und trug einen grauen
Straßenanzug.
Der
Ankömmling zündete sich eine Zigarette an und schlenderte dann gemächlich die
mit Bäumen flankierte Allee entlang.
»Er
beobachtet die Umgebung«, murmelte Gallun. »Verhalten wir uns ruhig.«
Der weiße
Ford war eines von zahlreichen am Straßenrand abgestellten Autos. Alle Wagen
waren unbeleuchtet. Da der Ford im Schatten zweier mächtiger Eichen stand,
waren die beiden Männer im Innern noch besser durch die Dunkelheit geschützt.
Der
Ankömmling schien mit seiner Inspektion zufrieden. Er stand an der Umzäunung
des Coogan-Anwesens, warf die angerauchte Zigarette zu Boden und trat die Kippe
aus. Dann drückte er die Eingangspforte nach innen. Sie war nicht verschlossen.
Wer war der
Mann, der um diese Zeit bei Mrs. Coogan einen Besuch machte? Ein naher
Verwandter? Ein Freund?
Der
Unbekannte erreichte die Haustür. Wie von Geisterhand bewegt, öffnete sie sich.
Der späte
Gast trat einen Schritt vor, wurde von der Dunkelheit im Korridor geschluckt
und griff nach vorn.
●
Er riß die
Frau, die hinter der Tür stand, an sich und küßte sie leidenschaftlich.
»Nicht, wenn
uns jemand sieht, Brian«, sagte Sue Coogan bewegt, als sie endlich ihre Lippen
von seinem Mund lösen konnte.
Der Arzt, der
beste Freund ihres Mannes, lachte leise, und schob mit dem rechten Fuß die Tür
zu.
Die
Stimmungen, die diese beiden Menschen erfüllten, empfing der Empath David
Gallun kraftvoll, und er war erstaunt darüber, daß die besorgte Mrs. Coogan
drei Tage nach dem Verschwinden ihres Mannes bereits einen Liebhaber empfing.
Hätte er
gewußt, daß dieser Liebhaber ausgerechnet Dr. Brian Flatcher war, der Mann, mit
dem Mike Coogan wenige Minuten vor seinem mysteriösen Verschwinden noch
gesprochen hatte, wäre Y-RAY-1 um einiges verwunderter gewesen...
Keine Spur
von Trauer war in ihr. Freude, Erregung und Leidenschaft. Und - eine Spur von
Angst erreichte den sensiblen Blinden.
Die
Konstellation war derart außergewöhnlich, daß X-RAY-1 sich entschloß, noch auf
andere Weise in Aktion zu treten.
Über
Autotelefon rief er die Zentrale an - und hinterließ für seine Agenten Larry
Brent, Iwan Kunaritschew und Morna Ulbrandson eine Nachricht.
Larry Brent
alias X-RAY-3 war erst am Abend nach New York zurückgekehrt und hielt sich noch
in seinem Büro auf, um den Bericht über die »Pest« fertigzustellen, der so
viele unschuldige Menschen zum Opfer gefallen
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