009 - Mordaugen
Sarg«, zu erhalten.
Linda Pokins,
eine attraktive Vierzigerin, hielt den Atem an.
»Wenn wir
jetzt auf der Strecke liegen bleiben, wäre das fatal, Ron«, murmelte sie.
»Mit ein
wenig Rückenwind müßte es noch zu schaffen sein«, entgegnete Pokins. Aber auch
sein Scherz vermochte die eingetretene Entwicklung nicht mehr zu beeinflussen.
Die
Geschwindigkeit sank rapide, plötzlich stand der Wagen. Trotz mehrmaliger
Versuche ließ er sich nicht mehr starten.
Ronald Pokins
zerdrückte einen Fluch zwischen den Zähnen.
Linda strich
sich das lose in die Stirn fallende Haar zurück. »Mary wird sich Sorgen
machen.«
Mary war ihre
unverheiratete Schwester. Sie wohnte in Akersfield, einem kleinen Ort, in dem
nur wenige hundert Menschen lebten und der auf keiner Landkarte verzeichnet
war. Akersfield lag knapp 200 Meilen nördlich von New York.
Mary war vor
einer Woche erkrankt und hatte Linda gebeten, während der Zeit ihrer Krankheit
zu ihr zu kommen.
Linda Pokins
war sofort aufgebrochen. Sie hatte ein besonderes Verhältnis zu ihrer um fast
20 Jahre älteren Schwester, die praktisch Mutterstelle bei ihr eingenommen
hatte.
Schwester
Mary lebte auf einer alten Farm, die längst nicht mehr bewirtschaftet wurde.
Mary hatte sie seinerzeit erstanden und für Reisende ein Motel daraus gemacht.
Nach dem Neubau der Umgehungsstraße war eine Geschäftsflaute eingetreten. Die
Kunden blieben aus, denn um nach Akersfield zu gelangen, hätten sie einen Umweg
machen müssen. Das Motel geriet in Vergessenheit. Mary, die die Einsamkeit
hebte, blieb in Akersfield.
Ronald Pokins
seufzte. »Tut mir leid, da ist nichts zu machen...« Er starrte auf die
nächtliche Straße, die schmal und kerzengerade zwischen dichtstehenden
Alleebäumen verlief.
In den
schwarzen Wipfeln bewegte der Wind raschelnd die Blätter.
Weit und
breit war Einsamkeit. Kein Fahrzeug kam ihnen entgegen, keines hinter ihnen
her.
»Ich geh’
zurück«, sagte Ronald Pokins unvermittelt. »Etwa eine Meile zurück habe ich
zwischen Bäumen Lichter gesehen. Beleuchtete Fenster in einem einsam stehenden
Haus.«
Auch Linda
erinnerte sich sofort wieder daran. »Willst du wirklich... «
Ronald ließ
sie nicht ausreden. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, das weißt du. Ich
werde von dort aus eine Reparaturwerkstätte anrufen. Du weißt ja, daß ich von
technischen Dingen nichts verstehe... «
»Um so
schneller müßtest du dich von der Klapperkiste trennen«, konnte Linda sich die
Bemerkung nicht verkneifen.
»Warte hier
auf mich, Darling«, entgegnete er, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Schließ
sämtliche Fenster von innen. Man weiß nie, wer vorbeikommt.«
Er griff nach
hinten. Auf dem Rücksicht lag sein Regenmantel. »Ich nehme ihn vorsorglich
mit... Es sieht nach Regen aus.«
»Beeil’
dich.«
»Natürlich.«
Er schlug die
Tür zu, schlüpfte in den grauen Gummimantel und zog den Hut tiefer in die
Stirn.
Die ersten
Tropfen klatschten schwer auf das Wagendach und gegen die Windschutzscheibe.
Ronald Pokins
schlug eine schnellere Gangart an.
Seine Frau
drückte die Sicherungsknöpfe an allen vier Fenstern herunter.
Die
Temperatur in dem Pannenfahrzeug sank rasch.
Fröstelnd
schlüpfte Linda Pokins in ihre Wollweste und probierte während der Abwesenheit
ihres Mannes mehrere Male, den Ford zu starten. Doch der Motor gab keinen Laut
von sich.
Linda Pokins
war im Innern des dunklen Fahrzeuges eingesperrt. Unbehagen erfüllte sie, und
sie konnte die aufkommende Furcht plötzlich nicht mehr unterdrücken. Sie wußte
nicht, was es war, aber der Gedanke, daß sie ihren Mann nicht mehr lebend sehen
würde, war so stark, so intensiv, daß ihr Herzschlag raste, und kalter Schweiß
auf ihrer Stirn perlte.
Einen Moment
hatte Linda Pokins das Gefühl, laut schreien zu müssen. Schon zuckte ihre Hand
nach dem Sicherungsknopf, um ihn hochzuziehen. Linda wollte Ronald zurückrufen,
um ihn zu warnen und um nicht allein zu sein. Im letzten Augenblick hielt sie
inne. Sie faßte sich an die Stirn und fragte sich, ob sie noch bei Verstand
war. Mit einem Mal schien ihr das eigene Verhalten lächerlich.
Linda Pokins
atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe.
Sie starrte
zwischen den dunklen, am Straßenrand stehenden Bäumen hindurch und versuchte,
nicht mehr an ihre Angst zu denken.
Doch das war
leichter gesagt als getan.
Die Angst war
noch immer da, verstärkte sich sogar noch, als die Frau sah, daß sich zwischen
den Bäumen etwas bewegte...
Also
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