0091 - Lucifers Bücher
den Hals springen, aber er konnte die Alte nicht erreichen.
Eine unsichtbare, eiskalte Mauer stand plötzlich zwischen ihnen.
Das Weib mit dem Faltenmeer im Gesicht hatte die Kräfte der Finsternis gerufen und sich vor dem Zugriff von Zamorra geschützt, und der Professor besaß sein Amulett nicht mehr, in dem der große Magier Merlin Kräfte hineingegeben hatte, die fast jeden magischen Bann brechen konnten.
Er versuchte keinen zweiten Angriff, denn dazu bekam er keine Zeit mehr. Drei Männer mit metallenen Schlagstöcken in den Händen kamen aus drei Richtungen heran. Die Alte wich nicht von der Stelle. Ihre schwarzen Kohleaugen glühten in unbeschreiblichem Haß. Zamorra glaubte, das Feuer aus diesen Augen auf seinem nackten Leib zu spüren. Er hatte die Hände geballt und die Arme angewinkelt. Da stieß er gegen den Zuber. Im nächsten Moment verfügte er über einen Plan und setzte ihn sofort in die Tat um.
Noch waren die drei Kerle, alle einen Kopf kleiner als er, nicht auf Tuchfühlung heran.
Er packte den Zuber, riß das klobige Holzding an seiner Seite hoch, das Wasser schwappte zum größten Teil heraus, ergoß sich über den steinigen Boden des Badehauses, und dann stemmte er den Trog mit ausgestreckten Armen hoch über seinen Kopf. Er wollte dem ersten der drei damit den Schädel einschlagen, denn daß er nichts mehr zu verlieren hatte, wußte er, seitdem er den Namen Domdonar aus dem Mund der alten Frau vernommen hatte.
Da hob die Alte hinter dem eiskalten, unsichtbaren Schutzschirm die Hände wie zum Gebet. Voller Entsetzen sah der Professor, wie sie die Augen schloß. Er wußte, was ihn gleich anspringen würde - die höllischen Mächte der Finsternis -, und er wußte, daß er hoffnungslos verloren war.
Darum durfte sie die Höllenmächte der dunkelsten Finsternis nicht rufen.
Er ließ den Zuber fallen und streckte seine Hände aus, spreizte dabei noch die Finger, um noch deutlicher zu machen, daß er keinen Widerstand mehr leisten wollte.
Die Alte ließ ihre Hände sinken.
Sie sah ihn aus ihren kohleschwarzen Augen wieder haßerfüllt an.
Domdonar! las er von ihren Lippen ab, die sich gerade leicht bewegt hatten, und er bekam ihren Haß zu spüren, der diesen Namen begleitete.
Der Haß traf ihn als unsichtbarer Schlag.
Er schleuderte ihn zu Boden. Und mitten in einer Wasserlache kam Zamorra zu Fall und sah, wie die Alte sich über ihn beugte und ihn mit ihrem Haß zudeckte. Ungeheure magische Kräfte gingen von der alten Frau aus. Den Haß setzte sie wie eine unsichtbare Peitsche ein, und damit schlug sie auf ihr Opfer am Boden ein.
In diesem Augenblick war Zamorra drauf und dran, die Besinnung zu verlieren, als er von der Tür her den Schrei vernahm: »Die Luciferen kommen, Mater-Domina!«
Die Alte riß sich mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit herum. Ihre Haßpeitsche existierte nicht mehr. Die drei Männer mit den metallenen Schlagstäben rannten nach draußen. Auch die alte Vettel bewegte sich zur Tür. Draußen war immer noch heller Tag. Ein greller Lichtstrahl fiel ins kahle Badehaus. Das Licht traf das faltenreiche Gesicht der alten Frau im isabellenfarbigen Gewand, und das Licht verschönte das Meer der Falten. Sie war plötzlich stehengeblieben, hatte sich nach Zamorra umgedreht und sagte: »Domdonar wird dich lebend nicht erbeuten.«
Dann trat sie nach draußen, wo der Lärm immer lauter geworden war und die Schreie immer gräßlicher klangen. Der Professor hörte es mit halbem Ohr. Er hatte in der Ecke seine Kleider entdeckt, aber was wollte er mit ihnen im Imperium Romanum, denn sie verrieten ihn auf Schritt und Tritt.
Ein Mann torkelte herein, am Kopf blutend und halb besinnungslos. Er tat noch einen Schritt und brach zusammen.
Eine Minute später trug Zamorra dessen Kleider.
Ein Glück, daß man im alten Imperium noch nichts von hautengen Jeans gehört hatte. Die Sachen paßten ihm, obwohl der Durchschnittsrömer wenigstens anderthalb Kopf kleiner war als er.
Zum erstenmal, seitdem er durch Domdonars schwarze Magie in die Antike versetzt worden war, fühlte sich der Professor ein bißchen sicherer.
Hastig schaute er sich im Badehaus um. Draußen war Kampflärm zu hören. Der Mann am Boden lag im Sterben. Ihm konnte niemand mehr helfen. Zamorra schenkte ihm auch keinen Gedanken mehr. Die kleine Tür an der hölzernen Hinterwand interessierte ihn. Er lief darauf zu, drehte den hölzernen Hebel, und unter dem Druck seiner Hand schwang die Tür auf.
Er hatte erwartet,
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