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0093 - Vlado - der Schreckliche

0093 - Vlado - der Schreckliche

Titel: 0093 - Vlado - der Schreckliche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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leeren.
    ***
    Vlado, der Leichenfürst, hatte getobt, als das sechste Opfer ihm entwischte. Doch er beruhigte sich auch schnell wieder.
    Fünf Menschen blieben ihm, und das waren mehr, als er erwarten durfte.
    Fünf langerwartete, heißersehnte Opfer.
    Zwei von ihnen waren schon alt, doch Vlado war im Lauf der Jahrhunderte weniger wählerisch geworden. Er musste nehmen, was er bekam. Und heute hatte er viel bekommen.
    Trotz allem - eine gute Nacht. Eine erfolgreiche Nacht.
    Die anderen entkamen ihm nicht mehr.
    Er dachte sich klirrende Ketten um ihre Knöchel, und aus dem Nichts waren sie dann da. Die Männer waren wie eine Horde Sklaven aneinandergekettet. Auf Vlados Züge stahl sich ein Grinsen der Vorfreude. Ein schauderhaftes Grinsen. Die oberen Schneidezähne ragten über den lippenlosen Mund bis zu den Kinnwinkeln hinunter.
    Der Leichenfürst schwang sich auf seinen Rappen, steckte den längst wieder aufgenommenen Säbel in die Scheide an seiner Hüfte.
    »Vorwärts!«, befahl er schrill, und die Männer setzten sich in Bewegung, als würden sie an unsichtbaren Fäden gezogen.
    Auch Basci Kuras erhob sich, und mit ihm Kas Worzek, der mit seinem verschobenen, zerstörten Gesicht kaum mehr wiederzuerkennen war. Er schien keine Schmerzen mehr zu haben. Apathisch alles erduldend setzte er wie alle Gefangenen einen Fuß vor den anderen. Die Ketten klirrten an ihren Gelenken.
    Schwarz stach die Silhouette von Vlados Burg gegen den Nachthimmel ab. Blutrot hing der Mond darüber. Wie ein vergessener Lampion.
    Die Burg war nicht länger eine Ruine in den Augen der Männer, die langsam und mit gesenkten Häuptern durch den Hohlweg stolperten.
    Vlados Schloss stand in der Wuchtigkeit früherer Jahrhunderte auf der Steilwand über dem See. Die ganze Szenerie hatte etwas Unwirkliches an sich, etwas Unsagbares, Schreckliches. Vlado hatte seine Opfer in eine andere Welt entführt. In eine Welt voller Niedertracht und Grausamkeit.
    »Vorwärts!«, wiederholte er sich. Geifer rann ihm aus dem Mundwinkel.
    Die angeketteten Männer kamen nur unwesentlich langsamer vorwärts. Sie bewegten sich alle wie in tiefer Trance, stapften dahin wie seelenlose Maschinen. Vlado hatte ihnen seinen Willen aufgezwungen. Sie waren nicht mehr sie selbst. Sie waren hilflos wie Schafe, die man zur Schlachtbank führt.
    Fürst Vlado ritt ihre Reihe ab, schwang den Säbel und hieb ihn den Männern mit der flachen Seite auf Hinterköpfe und Rücken, damit sie schneller machten. Der Blutfürst stieß lästerliche Flüche aus. Seine Vorfreude war in Ungeduld umgeschlagen.
    Der Pfad stieg steil an. Sie näherten sich dem Schloss, das unversehrt auf dem Hügel über dem See stand. Der Mond wurde vom Gemäuer verdeckt. Der Wald lichtete sich. Zwischen der Seewand und dem Burgfelsen klaffte ein tiefer Abgrund. Fürst Vlados Mund spitzte sich zu einem durchdringenden Pfiff.
    Kaum war die hochgezogene Brücke auszumachen. Auf Vlados Kommando hin klappte sie allmählich herunter. Ketten klirrten, eine Zugwinde kreischte. Ächzend senkten sich die schweren Holzbohlen auf das Widerlager an der Bergseite. Dann war die Zugbrücke begehbar.
    Hoch ragte der runde Söller über schwarze Steinquader und Zinnen. Im runden Torbogen huschten schemenhafte Gestalten scheinbar sinn- und ziellos herum. Sie waren Vlados Helfer; die Seelen von ehemaligen Opfern, die der Leichenfürst zu willfährigen Dienern gemacht hatte, die jedem seiner Befehle blind gehorchten. Der Burghof war erfüllt von schattenhaftem Leben.
    Vlado stieg vom Pferd. Sofort eilten einige Wesen herbei. Sie trugen die Tracht des ausgehenden 18. Jahrhunderts, waren halb durchscheinend und farblos wie dichter Nebel. Sie kümmerten sich um den Rappen und führten ihn in die Ställe.
    Andere setzten die Seilwinde in Bewegung. Die Zugbrücke hob sich wieder, schloss die Geisterburg von der Außenwelt ab. Wie ein verlorenes Häuflein standen die neuen Gefangenen inmitten des kieselbedeckten Hofs.
    Knarrend öffnete sich die Tür zum trutzigen Hauptgebäude. Fahler Lichtschein fiel heraus, umrahmte drei weitere Gestalten in durchsichtigen Gewändern. Zwei davon waren Frauen.
    Sura und Mita, die ehemaligen Geliebten des Todesfürsten, die mit ihm hingerichtet worden waren. Und dann noch Burko, der Gnom. Sie hatten an Fürst Vlados grauenvollen Festen teilgenommen und waren dafür grässlich bestraft worden. Aus Dank dafür, dass Vlado ihnen ihr neues Leben gegeben hatte, waren sie ihm auch jetzt noch hündisch

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