0093 - Vlado - der Schreckliche
Leichenfürst dich gefressen? Czodi…!«
Der Tscheche sank zurück auf das Kissen.
»Czodi… Armer Bruder… - Nicht, Fürst! Lass mich leben. Bitte, bitte, lass mich leben!«
Zamorra wechselte einen schnellen Blick mit Nicole. Ihr ›Gast‹ war ungeheuer laut gewesen. Zum Glück hatte die Wintersaison noch nicht begonnen. Sie waren die einzigen auf dem Stockwerk.
Der Dämonenjäger umfasste die zitternden Hände des Mannes, drückte sie beruhigend und wärmte sie.
»Ganz ruhig…«, suggerierte er. »Sie werden ganz, ganz ruhig und immer ruhiger. Atmen Sie tief ein und tief aus. Hören Sie mir zu. Ich spreche langsam. Sie brauchen nur ruhig, fest und tief zu atmen. Und Sie lauschen meiner Stimme, nur meiner Stimme. Und Sie bemerken, wie Sie sich langsam wohler fühlen. Eine Schwere erfasst Sie. Eine herrliche Schwere. Und Sie genießen diese Schwere…«
Professor Zamorra versuchte, den Mann in einen beruhigenden, hypnotischen Schlaf zu versetzen. Es gelang ihm auch.
Es war zu sehen, wie der Mann sich allmählich entspannte, die Beine ausstreckte, wie seine Fäuste sich entkrampften. Ruhig lagen die Handflächen auf dem weißen Laken.
Zamorra holte tief Atem.
»Was ist mit Vlado?«, fragte er schließlich und erschrak noch im selben Moment bis ins Innerste.
Bei der Nennung dieses Namens verfiel der Mann in konvulsivische Zuckungen. Er lag auf dem Bett, als wäre er an das Stromnetz angeschlossen. Seine Lider flatterten, der Kopf ruckte hin und her, er verdrehte seinen dürren, ausgemergelten Körper, um auf einmal in sich zusammenzufallen.
Seine Stimme war nur mehr ein Röcheln.
»Ich… ich komme, Czodi… Bald bin ich bei dir. Das Licht! Er verträgt kein Licht, Czodi… Die Sonne! Mein kleiner Bruder. Die Sonne…«
Dann sagte Pavel Zapotoky nichts mehr.
Er sank in sich zusammen, sah winzig aus auf dem großen weißen Bett.
Pavel Zapotoky spürte die Hand nicht mehr, die nach seinem Puls tastete.
Professor Zamorra wartete fast eine Minute lang. Dann ließ er die Hand des Tschechen fallen.
»Er ist tot, Nicole«, sagte er niedergeschlagen. »Sein Herz machte nicht mehr mit.«
***
Professor Zamorra war in einer fatalen Lage.
Eine Leiche im Zimmer, ein Freund in den Händen eines Dämons, eine Staatsgrenze, die ihn daran hinderte, sofort etwas zu unternehmen.
»Mist«, murmelte Zamorra. »Verdammter Mist.« Er war ratlos wie nur selten.
»Er kann nicht hier bleiben«, sagte Nicole und schaute auf die Leiche hinunter. »War es einer jener Leute, die Professor Cup über die Grenze bringen wollten?«
»Ich muss es annehmen«, antwortete Professor Zamorra.
»Dann ist Jurai Cup jetzt in der Gewalt von…«
»… diesem angeblichen Fabelwesens. Ja. Ich muss das annehmen. Ein Herz versagt nicht so schnell. Unser Freund« - er wies auf den Toten - »muss Furchtbares mitgemacht haben. Dann ist da noch mein Medaillon. Es ist etwas passiert jenseits der Grenze.«
»Auf dieser Seite auch«, meinte Nicole Duval. »Du hast einen Toten in deinem Zimmer. Einen aus der CSSR. Wenn er nicht laut genug geschrien hat, werden wir spätestens morgen wegen ihm eine Menge Schwierigkeiten haben.«
Das wusste Professor Zamorra auch. Gleichzeitig reifte ein Plan in ihm, doch der war noch weit davon entfernt, spruchreif zu werden. Es war ein tollkühner Plan.
»Wir müssen den Toten wegschaffen«, sagte er, und Nicole schaute ihn erschrocken an.
»Wegschaffen?«
»Wenn du eine bessere Möglichkeit siehst, uns aus dieser Situation zu lavieren, dann sag sie mir«, forderte Zamorra seine Sekretärin auf.
Nicole brauchte nicht sehr lange zu überlegen.
»Ich weiß auch keine bessere Möglichkeit«, meinte sie und trat ans Fenster. »Es ist eine Menge Schnee gefallen. Und er fällt immer noch. Ich sehe schon mal auf den Flur und ins Treppenhaus. Zeugen können wir keine gebrauchen.«
Zamorra ersparte sich eine Antwort. Nicole hatte ihn voll verstanden. Sie ging auch voraus, als Zamorra sich die Leiche über die Schulter lud und er ihr durch den dunklen ›Sonnenhof‹ nachstapfte.
Nicole suchte eine günstige Stelle aus.
Eine leichte Mulde oberhalb des Hotels war schon mit Schnee verweht.
Nicole Duval grub mit bloßen Händen eine längliche Grube hinein. Zamorra ließ die Leiche hinabsinken und half Nicole beim Zuschaufeln. Alles übrige würden Sturm und Schneegestöber erledigen.
Professor Zamorra trank nie unmäßig. Doch als er zurück in seinem Zimmer war, hatte er gute Lust, eine halbe Flasche Whisky zu
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