0094 - Das Grauen lauert in Soho
war selbst zum Dämon geworden.
Zamorra entschuldigte sich hastig und ließ den Kriminalbeamten auf dem Krankenhausflur stehen. Erst auf der Straße bemerkte er, daß er den für Judy Pembroke bestimmten Blumenstrauß immer noch in der Hand hielt.
***
Hark Marner trug keinen blutverkrusteten Trenchcoat mehr. Der schwamm schon längst in der Sowe, die unweit des internationalen Frachthafens in die Themse mündet.
Als er eine der schmalen Gassen ansteuerte, war der Mann, der einst Hark Marner gewesen war, nicht mehr allein.
Zwar hatte sein Plan, den mörderischen Reihen eine Frau hinzuzufügen, nicht geklappt, doch anderswo war er erfolgreich gewesen. Sie waren jetzt zu acht. Zehn mußten sie werden. Und ein Mädchen mußte dabeisein.
Der von keinem Meteorologen berechenbare Himmel über der Millionenstadt hatte sich weiter eingetrübt. Im Smog schwammen Nebeltropfen und verdichteten ihn zu einem Gemisch, das sich kaum mehr atmen ließ.
Den acht Gestalten, die Hark Marner anführte, machte das nichts aus. Denn sie atmeten nicht mehr. Ihre Gestalten waren nur mehr leere Hüllen mit tödlichen Verwundungen, die das Wesen in Marners Körper ihnen zugefügt hatte.
Sie mußten die breiten Straßen und die Plätze scheuen, denn einige der lebenden Leichen waren gräßlich entstellt.
Ihre Gesichter wären den Archivaren von Scotland Yard bekannt vorgekommen, denn sie befanden sich ausnahmslos in den Verbrecherkarteien.
Da war einmal John Rill er, der wegen Totschlags acht Jahre und wegen dreier, nicht nachweisbarer Morde nicht gesessen hatte. Dann die Messerstecher und Raubmörder Jack und Gordon Hollow. Brad Crews hatte zu Lebzeiten und zu seinem Vergnügen kleine Kinder umgebracht, und auch der Sadist Brian Crachers fehlte nicht. Denn außer dem Mädchen, das sie noch brauchten, mußte jeder von Sustras künftiger Gefolgschaft eine Mordtat auf dem Gewissen haben. Die Riten schrieben das vor.
Sustras Ziel war fast erreicht. Greifbar nah. Noch ein weiterer Mörder in seiner Gefolgschaft und dazu noch irgendein Mädchen, das sich bisher keiner Verbrechen schuldig gemacht hatte.
Dann würde keine Macht dieser Welt ihn mehr daran hindern können, sein Schreckensreich zu errichten.
Auch nicht der Mann mit dem Amulett, das Sustra zu des Dämons eigenem Erstaunen daran gehindert hatte, mit der weiblichen Beute der ersten Nacht davonzuziehen.
***
Nicole hatte Zamorra in ihrer Hotelsuite erwartet, und sie hatte dabei wie auf Nesseln gesessen. Es vertrug sich nicht mit ihrer Neugierde, daß ihr Chef und Geliebter es bisher vermieden hatte, auch nur einen Ton über die grüne Statuette zu verlautbaren.
Sie stand auf dem Spiegeltisch. Zamorra hatte sie mit der Kette des silbernen Amuletts umwunden.
Fast eine Stunde hatte Nicole Duval damit verbracht, die Statuette nur anzustarren. Nun saß jede Einzelheit in ihr fest. Wenn sie die Augen schloß, sah sie die Figur noch vor sich.
Sustras und seines Erfüllungsgehilfen Kurulu ursprünglicher Plan, die Illusionistin als ihr Werkzeug zu gewinnen, indem sie dafür sorgten, daß sie in den Besitz des Buches Chatelneau kam, war fehlgeschlagen. Die Illusionistin hatte der Versuchung widerstanden, die gefährlichen Zeremonien einzuleiten und sich damit begnügt, das durch die Schrift erworbene Wissen zu einer einfachen Verwandlung zu mißbrauchen.
Ebenso wie den Verkauf des geheimen Wissens.
Schließlich hatte der Dämon sich entschlossen, sich selbst verkaufen zu lassen, um so aktiv werden zu können. Kurulu brauchte er noch. Ein lebender Mensch mußte die Weihen vollziehen, die ihm zu seiner wahren Widernatur zurückverhelfen würden.
Zwanzig Zentimeter hoch, schlank und schmal. Der monströse Schädel nahm fast ein Drittel ihrer Größe ein, und dieser Schädel war das Faszinierendste, was Nicole in der letzten Zeit zu Gesicht bekommen hatte.
Er ähnelte dem eines Menschen nur entfernt und war tropfenförmig. Zur Brust hin lief der Kopf spitz zu. Darüber eine kreisrunde Mundöffnung mit wunderbar ausgearbeiteten Zähnchen, die im Schlund wie ein Zahnkranz sichtbar wurden. Man war versucht, den Finger in diese Öffnung zu stecken und hatte doch gleichzeitig Angst, daß man ihn dann nicht mehr herausziehen könnte.
Anstelle der Nase saßen nüsternförmige Gebilde. Vier an der Zahl. Der größere und runde Teil des Tropfenschädels war mit Augen geradezu bestückt. Das größte saß genau dort, wo man die Stirn annehmen mußte. Es war auch nur aus Jade geschnitzt, und
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