0094 - Schreie im Schreckenshaus
Mädchen.
Linda schob die Gardine noch weiter zurück, um ein besseres Blickfeld zu haben. Zum Glück fiel durch die nicht ganz geschlossene Tür noch Licht nach draußen.
Das Girl beugte sich vor. Mit der linken Hand stützte sie sich auf der Fensterbank ab.
Lady Gowan sah sie genau. Aber sie war nicht allein.
Ein Mann hielt sich in ihrer Nähe auf. Er ging rechts von ihr, mehr im toten Sichtwinkel, so daß Linda nicht erkennen konnte, wer es genau war.
Ihr fiel nur der abgehackte Gang auf.
So ging ihr Vater doch nicht.
Schon nach wenigen Schritten hatte die Dunkelheit beide Personen verschluckt. Linda sah nichts mehr. Sie nahm an, daß die Lady und der Mann in den Westflügel des kleinen Gutshauses gegangen waren. Dort hatte früher das Gesinde gewohnt. Jetzt hielten sich ihr Vater und Curly dort auf.
Linda wunderte sich immer mehr. Auch noch ein anderes Gefühl kam hinzu.
Angst.
Ja, sie hatte plötzlich Angst. Dieses Haus und auch die Person der Lady Gowan erschienen ihr unheimlich. Am liebsten hätte sie auf der Stelle ihre Sachen gepackt und wäre verschwunden. Doch das war nicht möglich. Erst mußte sie wissen, was mit ihrem Vater geschehen war. Und sie ahnte auch, daß sie einen Fehler begangen hatte. Sie hätte sich davon überzeugen sollen, wer auf die Ladefläche des Wagens geklettert war.
Nun mußte sie die Suppe auslöffeln.
Sie trat wieder zurück. Vorsichtig bewegte sie sich auf die Tür zu. Der seltsame Geruch lag nach wie vor über diesem Zimmer, und auch das starke Parfüm der Lady vermochte ihn nicht auszulöschen.
Wieder auf dem Flur, hörte sie von unten das Schlagen der Haustür. Die Lady war zurückgekehrt.
Linda vernahm ihre Stimme. Die Frau sprach mit sich selbst. Nur konnte das Girl nicht verstehen, was sie sagte, sie hörte nur hin und wieder ihr Kichern.
»Linda!«
Das Girl zuckte zusammen, als die schrille Stimme der Alten an ihre Ohren drang.
Linda wartete auch den zweiten Ruf ab und gab dann die Antwort. »Ja, Lady Gowan!«
»Sind Sie noch angezogen, Linda?«
»Natürlich.«
»Dann kommen Sie zu mir!«
Linda verzog die Lippen. Da war er wieder. Dieser barsche, harte Tonfall, der keinerlei Widerspruch duldete. Linda haßte ihn, aber sie fügte sich auch.
Langsam schritt sie die Stufen hinab. Die Lady stand vor der Treppe in ihrer Lieblingspose. Beide Hände hatte sie in die Hüften gestützt.
Vor ihr blieb Linda stehen.
Die Lady schaute sie an. »Was haben Sie oben gemacht?«
Nun mußte Linda schauspielern, und sie machte das gut. »Nichts habe ich gemacht.« Sie lächelte. »Warum?«
»Nur so. Sie können wieder gehen. Für heute brauche ich Sie nicht mehr.«
»Aber es ist noch nicht neunzehn Uhr. Der Abend hat gerade erst begonnen. Wir haben noch nichts gegessen.«
»Ich habe keinen Hunger. Sie können sich etwas kochen.« Linda senkte den Kopf und faltete die Hände zusammen. Sie machte einen etwas unschlüssigen Eindruck, was die Lady wohl bemerkte.
»Ist noch was?« erkundigte sie sich.
»Ja, was ist mit meinem Vater? Was hat er gesagt?«
Die Lady überlegte. »Er läßt Sie grüßen. Ihr Vater ist sofort gegangen.«
»Wohin?«
»Er wollte noch einmal ins Dorf. Er hatte Durst. Sein Freund übrigens auch.«
Warum lügt sie, dachte Linda. Weshalb verschweigt sie die Wahrheit? Was hat sie zu verbergen?
Die Fragen lagen ihr auf der Zunge. Doch Linda schluckte sie hinunter. Sie sagte keinen Ton, sondern nickte ihrer Chefin noch einmal zu und schritt die Treppe hoch.
In ihren Augen schimmerte es feucht.
***
»Du mußt eine Sonnenbrille aufsetzen«, sagte ich zu Jane Collins, als ich ihr Appartement betrat.
»Warum?«
»Weil meine Schönheit dich blendet.«
Jane kam mir einen Schritt entgegen, hob die Hand, drehte sie und fühlte nach meiner Stirn. »Tatsächlich«, sagte sie, »Fieber.«
Ich hauchte ihr einen Kuß auf die Wangen. »Komisch, als der Held im Fernsehen den Satz sagte, ist ihm seine Freundin um den Hals gefallen.«
»Du hättest als Fernsehstar sowieso nur eine Einschaltquote von zwei Prozent. Außerdem warst du beim Friseur.«
»Ja, gestern.«
»Hast du schon mal in den Spiegel geschaut?«
»Nein.«
»Laß es auch lieber.«
Ich lächelte. »Du hast so eine herzerfrischende Art, Komplimente zu machen, Darling. Anstatt mir etwas zu trinken anzubieten, moserst du mich an.«
»Sorry, John, ich hatte einen harten Tag hinter mir. Was möchtest du?«
»Nichts Alkoholisches.«
»Ich habe Tee aufgesetzt.«
»Okay.«
Wenige Minuten
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