0095 - Yama, der Totengott
Augenaufschlag an. »Am einfachsten dürfte es sein, wenn Sie mir einen neuen Drink spendieren.«
»Ja, ja, natürlich«, murmelte der Millionärssohn. »Ich werde sofort den Kellner…« Er machte Anstalten davonzueilen, aber Nicole hielt ihn zurück.
»Langsam, langsam«, mahnte sie. »Mein Vorschlag gilt selbstverständlich nur, wenn Sie mir bei dem besagten Drink Gesellschaft leisten.«
Sie fand ihr Vorgehen selbst ziemlich plump, ja aufdringlich. Aber dieser Knabe war von einer Schwerfälligkeit, der anders gar nicht beizukommen war.
Immerhin hatte sie Erfolg. Mit einem zögernden »Wenn Sie meinen, Miss« machte Birch es Nicole nach und ließ sich auf einem der freien Stühle am Tisch nieder.
Vorerst aber kam Nicole nicht dazu, ihre Kontaktbemühungen zu intensivieren. Edgar Birch saß kaum, als auch schon eine Störung eintrat.
Zwei Männer mit Gesichtern wie hungrige Raubtiere drängten sich an den Tisch. Ohne dazu aufgefordert zu werden, zogen sie sich die beiden restlichen Stühle heran und nahmen Platz. Der eine von ihnen riss eine Kamera hoch und legte damit auf Nicole und Edgar Birch an. Klick, machte es, klick, klick.
Der andere Mann war nicht weniger aktiv als sein Genosse.
»Sullivan von Reader’s Weekly «, sprudelte er hervor, »Gestatten Sie ein paar Fragen, Mister Birch? Unsere Leser würde brennend interessieren…«
Birch ließ ihn nicht weiterkommen. Abrupt sprang er hoch und machte ein paar wedelnde Handbewegungen, Es waren keine leeren Gesten, die er da produzierte. Im Sturmschritt preschten zwei andere Männer heran, kräftige Burschen, in deren kantigen Gesichtern die Entschlossenheit nistete.
»Reporter!«, rief ihnen der Millionärssohn zu. »Der da hat sogar Aufnahmen gemacht.« Er deutete auf den Mann mit der Kamera. Die beiden Kräftigen langten gleich voll hin. Einer zerrte dem Fotografen die Kamera vom Hals und zog ihm gleichzeitig den Stuhl unter dem Allerwertesten weg. Der Mann, so überraschend seines Halts beraubt, fand sich urplötzlich auf dem Terrassenboden wieder. Seinem Kollegen von der fragenden Zunft erging es keinen Deut anders.
Während an den Nachbartischen Gelächter aufklang, griff einer der beiden Kräftigen bereits nach der Lehne von Nicoles Stuhl.
»Halt!«, fuhr Birch dazwischen. »Die Dame gehört nicht zu… sie gehört zu mir.«
Sofort ließ der Kräftige Nicoles Stuhl wieder los. »Entschuldigung, Eddy«, erwiderte er.
Sein Kumpan hatte inzwischen den Film aus der Kamera genommen und warf diese dem noch am Boden hockenden Besitzer des guten Stücks zu.
»Da hast du dein Rufmordwerkzeug wieder, Buster«, knurrte er, »Und nun macht, dass ihr Land gewinnt, sonst…«
Die beiden Reporter rappelten sich auf. Zorn und Erbitterung sprühten förmlich aus ihren Augen.
»Das werden Sie bereuen, Birch«, zischte der eine. » Reader's Weekly wird Sie so fertig machen…«
»Hau ab, Buster!«, fauchte der Kräftige, der die Kamera entschärft hatte.
Verwünschungen und Drohungen ausstoßend, trollten sich die Reporter. Auch die beiden Kräftigen zogen sich zurück. Nicole sah, wie sie auf eine Hollywoodschaukel in unmittelbarer Nähe der Terrasse zugingen.
Edgar Birch setzte sich wieder hin, mit hochrotem Kopf. Die Aufmerksamkeit, die das stünnische Intermezzo überall in der Umgebung hervorgerufen hatte, war ihm sichtlich unangenehm.
Nicole war von dem Auftritt nicht einmal überrascht. Sie wusste um die Pressefeindlichkeit der Birchs. Und auch über die Existenz der beiden Leibwächter hatte sie der Professor unterrichtet. Dennoch musste sie natürlich so tun, als ob sie dies alles in höchstes Erstaunen versetzt hatte.
»Was war denn das?«, fragte sie folglich. »Reporter und… äh…« Sie suchte nach dem Wort, das ihr scheinbar nicht einfiel.
»Leibwächter, wenn Sie so wollen«, sagte Edgar Birch von sich aus. Sein Gesicht war noch immer so rot wie das einer überreifen Tomate.
»Reporter und Leibwächter«, wunderte sich Nicole. »Sind Sie denn so… prominent?«
»Prominent? Ach was! Mein Vater… ich will nur keine Publizität, verstehen Sie?«
»Nein«, sagte Nicole, die die Chance sah, das Gespräch gleich auf das Thema zu bringen, das sie ausschließlich interessierte. »Was wollten die Reporter denn von Ihnen?«
Die Miene Edgar Birchs wurde verschlossen. »Ich möchte nicht darüber sprechen«, murmelte er abweisend.
Nicole schaltete sofort. Sie sollte das Vertrauen, des Jungen gewinnen, ihn aber nicht mit lästigen Fragen
Weitere Kostenlose Bücher