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0095 - Yama, der Totengott

0095 - Yama, der Totengott

Titel: 0095 - Yama, der Totengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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fast alle seine Anhänger, die man Bon-po nannte, an den Lamaismus verloren. Nur in wenigen Gegenden des Hochlands zwischen den Bergriesen sollte es noch einige bedeutungslose Klöster geben.
    Und nun hatte sie dieser Mann als Werkzeuge des Bon-po bezeichnet!
    Zamorra fragte ihn, wie er auf diese Idee gekommen sei.
    Er schien aufs höchste erstaunt. »Ihr seid es nicht?«, wunderte er sich.
    »Nein!«
    »Dann seid ihr… seid ihr Polizei.«
    »So ähnlich«, sagte Zamorra. »Was ist mit Edgar Birch und Nicole Duval passiert?« Die Frage kam hart und schneidend wie eine Messerklinge.
    »Nicole Du…?«
    »Stell dich nicht dümmer an, als du bist, Bursche! Ich meine die junge Frau, die am Tisch von Edgar Birch gesessen hat. Sie ist euch gefolgt, als ihr mit ihm weggegangen seid.«
    Jetzt nickte der Tibeter langsam. »Ja, ich weiß, wen ihr meint. Der Bon-po hat sie zusammen mit dem Meister verschleppt.«
    »Meister?« Zamorra war verblüfft. »Von welchem Meister redest du?«
    »Von Birch, Edgar Birch.«
    Zamorra und Bill Fleming tauschten verständnislose Blicke.
    Der Historiker hob die Schultern, »Ziemlich wirres Zeug, was der Knabe da so von sich gibt, nicht?«
    Das fand der Professor auch. Aber er war fest entschlossen, Licht in die dunklen Andeutungen des Tibeters zu bringen.
    »Warum nennst du Edgar Birch einen Meister?«, fragte er den jungen Asiaten.
    »Er ist der Meister. Er ist der Tschöd-po-Lama, den wir nach langen Jahren des Suchens endlich gefunden… und wieder verloren haben.« Der Tibeter sprach mit einer Ernsthaftigkeit und Überzeugung, die ohne Falsch zu sein schien.
    Eine dunkle Ahnung begann in Zamorra aufzusteigen. Tschöd-po-Lama - das war kein Name, das war ein Titel. Genau wie Dalai-Lama. Der Lamaismus lehrte, dass der Dalai-Lama niemals starb, dass er spätestens neunundvierzig Tage nach seinem Tod wiedergeboren wurde. Sollte es sich mit diesem Tschöd-po-Lama ähnlich verhalten?
    Er sah den Tibeter fest an. »Edgar Birch ist eine… Reinkarnation des Tschöd-po-Lama?«, fragte er.
    Beinahe eifrig nickte der junge Asiat.
    »Woher weißt du das?«
    »Die Wunderheilungen bei seiner Wiedergeburt, die erfüllten Weissagungen des Orakels, das Wiedererkennen seiner Gebetsmühle - all dies sind untrügliche Beweise.«
    Im weiteren Verlauf der Unterredung entpuppte sich der junge Tibeter als erstaunlich argloser Mensch, der von den Lebensverhältnissen in der westlichen Welt kaum eine Ahnung hatte, obgleich er ein nahezu fehlerfreies Englisch gelernt hatte. Er war ein Tschöd-Mönch des dritten Grades, ziemlich tiefstehend in der Hierarchie seines tibetanischen Klosters. Man hatte ihn nur deshalb mit nach Amerika geschickt, um sich an die Spur des wiedergeborenen Tschöd-po-Lama zu heften, weil er als einziger Tschöd-Lama mit der Sprache des Landes vertraut war.
    Auf Edgar Birch waren die Tschöd-Mönche, wie Zamorra, durch den bewussten Zeitungsartikel aufmerksam geworden, den auch indische Zeitungen veröffentlicht hatten. Glaubenstreue Anhänger des Lamaismus in Indien hatten den Tschöd-Mönchen über Edgar Birch berichtet. Und diese waren sofort sicher gewesen, ihren seit achtzehn Jahren fieberhaft gesuchten Meister endlich gefunden zu haben. Alles hatte dafür gesprochen.
    Bei der Wiedergeburt eines Tschöd-po-Lama war es in den zurückliegenden Jahrhunderten bei Berührung des Neugeborenen immer zu Wunderheilungen gekommen. Auch im Fall Edgar Birchs. Der sterbende Meister hatte seinen Klosterbrüdern gesagt, dass er in das Land jenseits des Dalai gehen würde. Dalai war mongolisch und hieß soviel wie Ozean. Amerika stimmte also. Dann die geweissagte Schlange, die einen kleinen gelben Vogel verschlang - so geschehen bei der Geburt Edgar Birchs. Weiterhin der lange unverständliche Orakelspruch: ›Der junge Baum bricht im dritten Jahr‹. Edgar Birch - Birch hieß Birke - hatte sich in seinem dritten Lebensjahr ein Bein gebrochen. Und endgültige Klarheit hatten jene gelegentlich aufblitzenden Fähigkeiten gebracht, die Zamorra als parapsychologische Talente angesehen hatte. In Wirklichkeit waren es jedoch magische Fähigkeiten, die sich der Tschöd-po-Lama in seinen vergangenen Leben angeeignet hatte und auf die Edgar Birch, seine jüngste Reinkarnation, in der Stunde der Not zurückgriff.
    Mit großem Staunen hörten Zamorra und Fleming dem Bericht des jungen Blo-bzang rin-po-che zu. Bill hatte den Revolver dabei sinken lassen. Der Tibeter dachte gar nicht an Widerstand, weder mit

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