0096 - Die Seelenfänger
zuschlägt, ist es zu spät. Dann gehen wir alle in diesem elenden schottischen Gebirgsnest zu Grunde. Wollen Sie das? Wenn Sie schon nicht an sich selbst denken oder gar an mich, tun Sie es Ihrer Sekretärin zuliebe!«
Wütend stand er vor dem Professor. Zamorra lächelte nur.
»Ich kann für mich selbst sprechen«, protestierte Nicole. »Und ich sage: wir machen weiter. Mit der gebotenen Vorsicht zwar, aber unerschütterlich. Das Ziel ist greifbar nahe. Das Kreuzzeichen wird uns schützen. Es wird uns bewahren vor jeder Gefahr. Wir haben das bereits erfahren. Unmittelbarer und eindrucksvoller, als es für gewöhnlich einem Menschen widerfährt. Wir haben seine Kraft erprobt und dürfen mehr als zufrieden sein. Welch eine Chance! Sie begegnet vielen niemals im Leben. Deshalb sind die meisten auch so lau und träge im Geiste. Wir aber können nur noch profitieren, wenn wir fortfahren und uns dieser dreimal verfluchten Sekte stellen. Darüberhinaus haben wir mehr Trümpfe in der Hand als zuvor. Wir haben Helfer im Dorf.«
Zamorra berichtete von seinem Streifzug durch die Gemeinde, die ihm zwei Bekanntschaften beschert hatte, die er nicht überschätzte, die er aber als nützlich und seinen Zwecken förderlich erachtete.
»Debbie Hogg wird mich zum Turm führen«, schloß er seinen Bericht.
»Und Sie dort Malkin selbst ausliefern! Ist doch klar«, rief Angus Marvick. »Warum hört niemand auf mich? Ich spüre es doch ganz deutlich. Wenn wir uns davonschleichen, ist es genug. Mehr zu tun, hieße, sein Unglück herauszufordern.«
Er begann vor Aufregung fast zu weinen. Verzweifelt versuchte er, seine Gefährten zur Umkehr zu bringen. Sie zur Flucht zu überreden.
»Sie reden, als wären Sie gegen uns«, beanstandete Nicole.
Jetzt, da Zamorra neben ihr saß, waren die Schrecken der vergangenen Stunden vergessen. Sie strahlte vor Zuversicht und Mut. »Niemand hindert Sie, aus Daunton zu verschwinden. Suchen Sie Ihr Heil in London oder wo immer, Angus. Aber versuchen Sie nicht, uns schwankend werden zu lassen. Sonst müssen wir annehmen, daß Sie noch immer Malkins Parteigänger sind.«
»Ich gebe es auf«, resignierte Angus. »Im übrigen: Sie haben recht. Ich werde abhauen. Egal, was Sie machen. Ich verschwinde. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe Angst. Das gebe ich zu. Jeder an meiner Stelle würde Angst haben. Ihr wißt nicht, was auf euch zukommt.«
»Zunächst einmal etwas Erfreuliches«, kündigte Zamorra an. Er stand am Fenster und schaute auf die Straße. Der Ort wirkte wie ausgestorben. Nur ein junges Mädchen kam langsam im Schutze der Gebäude heran, sicherte nach allen Seiten und huschte dann in die Pub.
»Was gibt es?«, fragte Nicole.
Schon das vergnügliche Lächeln auf Zamorras Zügen machte sie eifersüchtig. Ein Gehörnter würde nicht solche Reaktionen auslösen. Sie kannte ihren Chef gut genug, um zu wissen, daß Zamorra weiblichen Besuch angemeldet hatte.
»Debbie Hogg besucht uns«, meldete der Professor und öffnete die Tür, noch ehe das Mädchen angeklopft hatte.
Debbie Hogg trug ein Kopftuch, das kaum die Flut ihrer roten Haare bändigen konnte. Sie wagte es nicht, den Kopf zu heben, sondern betrachtete angelegentlich ihre Fußspitzen.
»Ist das Ihre Fremdenführerin?« erkundigte sich Angus Mavick in herausforderndem Ton. »Mein Gott, sind Sie naiv. Diese ganze Brut steckt unter einer Decke. Los, zwingen Sie sie, das Kreuz anzuschauen. Da werden Sie Ihr blaues Wunder erleben. Was Sie für Scham halten und Verlegenheit, ist die entsetzliche Furcht eines verworfenen Wesens, das Kruzifix auch nur anschauen zu müssen. Sie glauben gar nicht, wie sorgfältig die süße Kleine das vermeiden wird. Wetten?«
»Ich muß auch sagen, daß wir sie dieser Probe unterziehen sollten. Schließlich soll sie uns ans Ziel bringen. Wenn sie nicht fair spielt, werden wir eine schlimme Niederlage erleiden«, meinte Nicole.
»Was ich sage.« Angus Mavick schaute triumphierend den Professor an. »Aber lassen Sie ruhig weiter Ihr gutes Herz sprechen. Machen Sie, was Sie wollen. Ich ziehe mich zurück. Ich habe mehr Glück gehabt, als ein Mensch verlangen kann. Ich fürchte den Rückschlag.«
Angus Mavick näherte sich der Tür.
»Sie könnten einen Brief für mich befördern, wenn Sie schon fest entschlossen sind, unserer Sache den Rücken zu kehren, Angus«, bat Zamorra. »Ich kann hier kein Schreiben aufgeben, ohne daß es entweder geöffnet wird oder gar nicht erst abgeht.«
»Wie sollte es auch?
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