0096 - Die Seelenfänger
fest.
Die Gemeinde war zurückgewichen. Sie jubelte bei den Worten ihres Anführers, aber niemand traute sich näher. Denn hochaufgerichtet stand Nicole in ihrer weißen Kutte am Fuße des frevlerischen Altars, dort, wo die Stufen hinaufführten und verwies die Teufelsanbeter in die Schranken: mit dem Zeichen des Kreuzes.
Zamorra kehrte dem Mob unbekümmert den Rücken zu. Der einzige, wirklich ernstzunehmende Gegner stand dort oben. Wer ihn besiegte, hatte die Teufelsanbeter von Daunton geschlagen. Der Fluch würde von ihnen abfallen, und sie konnten ein neues Leben beginnen.
Niemand war für immer verloren, wie der Meister des Ordens immer seinen Anhängern weisgemacht hatte. Er wußte es wohl. Aber er sagte ihnen nicht die Wahrheit, um sie immer fester an sich zu ketten.
Schwer zu sagen, wie ernst er es mit seinen Zeremonien meinte. Ob er am Ende ganz weltlich, rein finanziell seinen Vorteil aus diesem Mummenschanz schlug? Ob er nichts war als ein Scharlatan? Leicht von seinem teuflischen Thron zu stürzen?
Oder stand eine Macht bei ihm, die nicht von dieser Welt war? Durfte er sich auf die Unterstützung Luzifers berufen?
Zamorra wagte in diesem Augenblick nicht, eine Entscheidung zu fällen. Er wußte nur eins: Dieser Kerl war brandgefährlich. Er würde brutal seine Macht ausspielen. Und er kannte eine Menge erstaunlicher Tricks, die einfachen Seelen zum Verhängnis werden konnten.
Fast war Zamorra geneigt, anzunehmen, der Kerl sei durchaus irdischer Natur und daher einfach zu besiegen. Vielleicht redete er sich das nur ein. Vielleicht brauchte er diesen Glauben, um den Mann dort oben in die Knie zwingen zu können. Jedenfalls trat er den Kampf in dem ruhigen Bewußtsein an, daß hier auch nur mit Wasser gekocht werde.
Also jagte Zamorra mit wenigen Sätzen die Treppe hinauf und stand mit seinem Gegner auf gleicher Ebene.
Kaum aber hatte der Professor den ersten Fuß auf die Plattform gesetzt und den innersten Kreis betreten, da bebte die Erde wie unter einem Vulkanausbruch. Das Gebäude schwankte. Blitze züngelten durch den Turm. Draußen erhob sich ein fürchterlicher Sturm.
Der Mann in der Bocksmaske blieb ruhig auf seinem Thron sitzen.
Die Tierlarve gab ihm etwas unbeschreiblich Hochmütiges.
Zamorra aber riß blitzschnell sein Amulett hervor. Wenn jetzt noch etwas helfen konnte, dann dieser Talisman, den er unter so schwierigen Umständen erworben hatte. In seinem Schloß in Frankreich. Und der ihn noch nie im Stich gelassen hatte.
Der Reif strahlte ein merkwürdiges kaltes blaues Licht aus. Er wurde wärmer und wärmer. Er saß wie ein Schlagring an Zamorras ausgestrecktem Arm. Langsam marschierte Zamorra weiter.
Unbekannte Kräfte zerrten an ihm. Sie schienen seine Beine zu lähmen. Die Angst drehte ihm das Herz im Leibe um. Aber es gab kein Zurück.
Der Zeremonienmeister machte keinen Fluchtversuch. Er stemmte sich mit jeder Faser seiner verderbten Seele gegen den Untergang.
Es war ein stummes Duell auf Leben und Tod.
Welche Macht würde siegen?
Kein Wort fiel. Kein Schlag wurde ausgetauscht.
Zamorra kämpfte sich Inch für Inch weiter, während er das deutliche Gefühl hatte, etwas wolle ihn verschlingen. Ihn hinabziehen in den Schoß der Erde. In die Hölle.
Der letzte Yard war der härteste Weg, den Zamorra jemals zurückgelegt hatte. Eiseskälte stieg aus dem Basaltblock auf, schien jedes Leben ersticken und begraben zu wollen.
Unter unmenschlicher Anstrengung schaffte der Professor es.
Der Mann in der Bocksmaske leistete keinen Widerstand. Hochaufgerichtet hockte er auf seinem goldenen Thron und seine Blicke schienen Zamorra zu erdolchen. Erst auf kürzere Distanz kam ein bösartiges Fauchen dazu.
Entschlossen brachte Zamorra die Faust mit dem Amulett nach vorn.
Berührte damit die Tierlarve.
Augenblicklich ertönte ein klagender Schrei.
Die Sektenanhänger stürzten wie erschlagen zu Boden, krümmten sich auf dem Steinboden und winselten. Sie schlängelten sich wie in tausend Qualen umeinander. Wie Schlangenleiber ringelten sie sich hin und her. Jetzt keineswegs mehr auf Schutz und Tarnung bedacht. Geschweige denn auf Angriff gedrillt. Sie hatten genug.
Was ihrem Herrn und Meister da widerfuhr, raubte ihnen jede Kraft.
Mitten in dem Höllenlärm stand Zamorra auf dem frevlerischen Altar.
Das Amulett vollbrachte das grausige Werk der Zerstörung. Verwandelte den Zeremonienmeister in ein Häufchen Asche, verbrannte seine höllische Seele. Es gab keine Rettung für
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