0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht
daran, als Sie das zarte Pflänzchen in meinem Herzen zertrampelten.«
Phil lachte lauthals, ich grinste. Das Mädchen war zu nett. Und ich Narr hatte Susan für eine eiskalte Verbrecherin gehalten. Wer weiß, was ich in meiner Zerknirschtheit nicht alles getan hätte, wenn Phil nicht anwesend gewesen wäre. Susan erzählte weiter. »Als Sie mich verließen, wusste ich -Sie hatten es ja selbst gesagt - dass Ihr Besuch der ›Colorado‹-Bar galt. Der Geschäftsführer ist ein mir höchst unsympathischer Mensch. Leider denken nicht alle Frauen über ihn so. Auch Jana Harker war von ihm begeistert. Ich wollte zuerst Mister Ruffner, einen von meinem Vater engagierten Privatdetektiv, zur ›Colorado‹-Bar schicken, aber Douglas Motsa hatte ihn schon des Öfteren in Vaters Begleitung gesehen. So verfiel ich auf eine andere Idee. Ich bin sehr glücklich, dass alles geklappt hat.«
Ich fühlte mich wieder hundertprozentig in Ordnung und platzte förmlich vor Eifer. Zuerst klingelte ich Alan in Middleville aus dem Schlaf. Er sollte sofort veranlassen, dass Abe Telvi und seine Freundin in Schutzhaft genommen würden. Die drei Killer und ihr Auftraggeber Douglas Motsa wüssten, dass das Paar nicht geschwiegen hatte. Käme es nicht in Schutzhaft, lebte es vermutlich nicht mehr lange.
Dann rief ich den Chef an. Er hörte sich meinen Bericht an und sagte genau das, was ich erwartet hatte:
»Setzen Sie sich unverzüglich mit der City Police in Verbindung, Jerry. Alles, was sich in der ›Colorado‹-Bar herumtreibt, soll man zur-Vernehmung ins Stadthaus bringen. Vor allen Dingen Douglas Motsa und, falls er noch dort ist, Kid Stone. Jeder Winkel ist zu durchsuchen. Ich glaube bestimmt, dass wir ein Rauschgiftdepot finden. Vielleicht sogar eine Spur von Jana Harker. Ist das erledigt, Haussuchung in Motsas Privatwohnung. Haben Sie mich verstanden, Jerry?«
»Okay, Mister High.«
Ich sah auf die Uhr. Es war genau 2 Uhr 10. Gerade die richtige Zeit für eine Razzia in einem Nachtlokal.
»Susan«, sagte ich, »für Ihre Hilfe mit dem ekelhaften Zeug muss ich schon Dankeschön sagen. Aber eines möchte ich Ihnen noch sagen, hätten Sie mir gleich reinen Wein eingeschenkt, wäre mein Schädel nicht so strapaziert worden.«
Ihre Finger spielten mit der Halskette aus farbensprühenden Opalkugeln. Augenscheinlich gingen ihr meine Worte ans Herz. »Jerry, noch was muss ich sagen.«
»Mal raus damit«, drängte ich, »Phil und ich müssen sofort gehen.«
»Kid Stones wurde einmal auf dem Wege von unserem Haus in Lyons Farms nach Middleville von sieben oder acht Männern überfallen.«
»Nun - und?«
»Das geschah auf meine Betreiben.«
Wir starrten das Marr-Mädchen an.
»Das tat ich deshalb«, sagte sie, »um ihn zu zwingen, wieder dahin zu gehen, von wo er gekommen war. Ich wollte nicht, dass Daddy mit dem Burschen Geschäfte machte. Was Vater früher getan hat, weiß ich. Er sollte endlich seine Hände aus Sachen lassen, die nicht sauber waren. Es war mehr eine Warnung für meinen Vater. Und sie hatte auch insofern Erfolg, dass er sich von der Schmuggelei zurückzog.«
Ich nickte nur.
Phil fragte: »Wäre es nicht möglich, Miss Marr, dass die Schantungseide nur eine Hülle war?«
»Ich verstehe die Anspielung nicht«, sagte Susan erstaunt. Übrigens war auch mir nicht klar, auf was Phil hinauswollte.
»Nun«, meinte er verschmitzt grinsend, »außen Seide, und in den Ballen Rauschgift.«
***
Eine Razzia ist das Paradepferd jedes Polizeioberbefehlshabers. Und der CP-Chef von New York ritt es auf Kandare. Was so viel heißen soll, ein Druck auf das rote Knöpfchen - und schon schnurrte der Apparat auf Hochtouren. Captain Milner, dem der Trubel unterstand, rauschte in seinem Polizeiwagen durch das mitternächtliche New York. Bei ihm waren noch ein Sergeant und vier Polizisten. Phil und ich folgten Milner mit meinem Jaguar.
Der Captain dirigierte seine Streitmacht durch Sprechfunk. Auf seine Anordnung hatte die Telefongesellschaft zehn Minuten vorher die Leitung zur »Colorado«-Bar lahmgelegt, damit bei unserem Eintreffen von dort aus niemand gewarnt werden konnte. Die zum Einsatz befohlenen Streifenwagen hatten ihre Positionen bezogen.
Bevor der Neger in seiner Admiralsuniform wusste, was los war, hockte er auch schon, von harten Fäusten gepackt, auf einem der vorgefahrenen Polizeiwagen.
Eine Minute später stand Captain Milner mitten auf der Tanzfläche und sprach ein paar beruhigende Worte. Das Lokal war brechend
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