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0099 - Hexennacht

0099 - Hexennacht

Titel: 0099 - Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traute Maahn
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waren die bittere, entsetzliche Wahrheit, der sie sich nicht verschließen konnte.
    Sie war eine Lebende, gehörte aber zu dem Club der Hexen von Boston. Sie war in der Gewalt dieser Hexen, mußte tun, was sie von ihr verlangten, sonst… sonst würde es ihr so ergehen wie Glen Webster.
    Die berühmte Diva erschauderte. Ganz deutlich war ihr ihre ausweglose Lage klar geworden.
    Es klopfte von draußen an die Tür.
    »Miß Gilbert, sind Sie fertig? Es ist sieben Uhr vier. Bitte, beeilen Sie sich! Sie wissen doch, daß pünktlich um sieben Uhr dreißig der Wagen der Produktionsgesellschaft vor der Tür steht und Sie abholt.«
    Langsam drehte sich Harriet um.
    Sie registrierte bei sich ein seltsames Gefühl, das sie selbst erschreckte. Sie war zwar hartgesotten und konnte in einem gräßlich gemeinen Slang schimpfen, aber jetzt stellte sie sich auf einmal genußvoll vor, wie sie die treue Penny Collins töten könnte. Mit ihren langen Fingernägeln, durch Bisse, durch Faustschläge…
    »Ich komme gleich«, rief Harriet mit unsicherer Stimme.
    Was ist los mit mir? dachte sie. Warum wünsche ich mir Pennys Tod? Sie hat es von allen Haushälterinnen bisher am längsten bei mir ausgehalten. Sie ist an meine Launen gewöhnt. Und ich bin doch im Grunde sehr zufrieden mit ihr?
    Sie schlang das Badetuch um den nackten Körper — ganz hoch, so daß es auch den Hals verdeckte, und öffnete die Badezimmertür.
    »Na endlich. Morgens geht es bei Ihnen immer besonders langsam«, sagte Penny Collins forsch.
    Sie war eine Frau mit leicht negroidem Einschlag. Eine ihrer Großmütter hatte sich sicher heimlich mit einem Schwarzen eingelassen. Pennys Nase war breit, die Stirn niedrig, sie konnte einfach die Mulattin nicht verbergen.
    »Rede gefälligst respektvoll mit mir, Penny«, fuhr Harriet sie unsicher an.
    »Ich habe Ihr Kleid schon zurechtgelegt, Miß Gilbert. Sie ziehen heute das grünbraune an!«
    Alles lag ordentlich auf dem Bett, sorgfältig von Penny zusammengestellt.
    »Nein«, sagte die Diva leise. »Dieses Kleid ziehe ich nicht an. Ich will einen Rollkragenpullover. Den karierten… oder vielleicht den roten.« Ich muß alle Kleider mit Ausschnitt aus meinem Kleiderschrank verbannen, dachte sie. Ob die Bißnarben einmal schwächer werden?
    »Bei dieser Hitze?« staunte Penny.
    »Zum Teufel, mach’ endlich, was ich dir befehle!« schrie Harriet sie an.
    Penny nahm das gestreifte Kleid und trug es zum Schrank nach nebenan zurück. Sie ahnte nicht, daß ihre Herrin schon wieder von heller Mordlust befallen worden war und krampfhaft versuchte, sie in sich niederzukämpfen.
    Heute ist sie besonders ekelhaft, dachte Penny. Sie wunderte sich, daß die Diva ihr beim Anziehen den Rücken zuwandte. Sie war doch sonst nicht so schamhaft.
    »Soll ich Gien wecken?« fragte Penny. »Er will Sie doch bestimmt ins Atelier begleiten.«
    Langsam drehte sich Harriet um. Penny hatte noch nie so einen Gesichtsausdruck bei ihr gesehen. Ihr Gesicht wirkte wie weißer Marmor und als ob man mit schwarzem Stift die Konturen nachgezogen hätte.
    Ob sie krank ist? fragte sich Penny.
    »Ja, weck ihn auf!« befahl die Diva leise.
    Als sie allein war, ging Harriet zum Spiegel. Spiegel gehörten zu ihrem Leben. Doch vergebens. Sie konnte sich nicht mehr sehen.
    Aber wenn Gien in seinem Bett liegt und ganz gesund ist, dachte sie, habe ich wirklich alles nur geträumt. Und dann hat mich vielleicht eine Spinne am Hals gebissen. Und mit meinen Augen ist vielleicht etwas nicht in Ordnung, weil ich mein Spiegelbild nicht sehen kann.
    In atemloser Spannung wartete Harriet auf das Erscheinen Pennys.
    Es ekelte sie, als sie an die nächtliche Szene dachte, als die große Hexe ihr die unheimliche kleine Puppe im Streifenanzug in die Hand gedrückt hatte.
    »Miß Gilbert?« Eilig kam Penny herein. »Er ist nicht da. Das Bett ist nicht angerührt. Es sieht so aus, als ob er heute nacht gar nicht hier geschlafen hätte.«
    Harriet Gilberts wasserblaue Augen weiteten sich in heller Panik.
    Sie wußte, was das bedeutete.
    Von neuem suchte sie den Teppich im Zimmer mit den Augen ab. Nein, die Puppe war verschwunden.
    Ihr drehte sich der Magen um, Sie stürzte nach nebenan ins Bad und übergab sich.
    Als sie ins Schlafzimmer zurückwankte, bemerkte sie, wie Penny den Hörer in der Hand hatte und auf die Tasten des Telefons schlug.
    »Leg den Hörer hin!« befahl Harriet kalt. Und als Penny ihr nicht sofort gehorchte, stürzte die Diva auf sie zu, entriß ihr den

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