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0099 - Hexennacht

0099 - Hexennacht

Titel: 0099 - Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traute Maahn
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Haushälterin hin- und hergehen. Wie sie trampelte. Der Boden zitterte ja unter ihren Schritten.
    »Mach gefälligst nicht solchen Lärm, Penny«, murmelte sie verschlafen.
    »Welches Kleid ist heute dran? Das blau weiß gestreifte?«
    »Halt’s Maul, Schwester einer Hündin«, sagte die Diva.
    Penny Collins kannte die ordinären Anwandlungen ihrer Herrin und ließ sie mit stoischer Ruhe über sich ergehen.
    »Mr. Webster hat heute nacht das Licht brennen und das Fenster im Büro weit offen gelassen«, meldete sie spitz. »Den werde ich mir mal kaufen und meine Meinung sagen. Eines Tages werden Sie doch noch mal von Kidnappern entführt, wetten?«
    Gien Webster…
    Als der Diva dieser Name ins Bewußtsein kam, setzte sie sich mit einem Ruck auf.
    »Heaven, hatte ich heute nacht einen widerlichen Traum«, sagte sie atemlos. Sie umschlang die Knie mit beiden Armen und senkte den Kopf. Das blonde Haar flutete in ihr Gesicht.
    Dabei sah sie vorsichtig auf den Teppich, der rings um das Bett lag. Sie suchte eine winzige Puppe im Streifenanzug. Aber da war nichts.
    »Jetzt wird nicht mehr geträumt«, sagte Penny Collins energisch. »Sie wissen doch, daß Mr. Kelly sehr wütend wird, wenn Sie nicht um acht Uhr pünktlich im Atelier sind.«
    »Das ist sowieso eine mörderische Zeit«, murmelte die Diva.
    »Aufstehen jetzt. Hier…«
    Penny half Harriet in den Morgenmantel und schob ihr die zierlichen Pantoletten hin. »Bewegen Sie sich bloß ein bißchen schneller, Miß Gilbert«, riet sie. »Halt, Ihr Orangensaft…«
    »Ach, sauf’ die Jauche selbst«, winkte die Diva mürrisch ab. Sie schlufte zur Badezimmertür und knallte die Tür hinter sich zu.
    Penny seufzte. Kein Mensch, der den großen Star anhimmelte, ahnte, wie sich die Gilbert zu Hause aufführte.
    Sie entschied sich für das grünbraun gestreifte ärmellose Leinenkleid mit dem breiten Krokogürtel. Es würde für diese Hitze gerade richtig sein und stand Miß Gilbert ausnehmend gut. Es hatte auch einen tiefen Ausschnitt, denn ihr Dekolleté konnte sich sehen lassen. Miß Gilberts Maße waren klassisch und wurden in den Schönheitsfarmen von Ost bis West als Idealmaße gepriesen und zur Nachahmung empfohlen.
    Aber was hat sie von ihrer Schönheit und ihrem Ruhm und dem vielen Geld? dachte Penny. Die Liebe kommt immer zu kurz bei ihr.
    ***
    Obwohl sich die Diva wie jeden Morgen heiß und kalt duschte — heute wich die Benommenheit nicht von ihr. Sie fühlte sich, als ob sie die ganze Nacht durchgesoffen hätte.
    Ganz deutlich stand der Alptraum vor ihr. Die Hexenfratzen ließen sie nicht mehr los, und dann hatte die Rothaarige auf ihr gesessen und sie in den Hals gebissen.
    Woher kommen solche wahnsinnigen Träume? durchfuhr es sie.
    Sie kam aus der Duschzelle und rubbelte sich trocken. Dann stellte sie sich vor den Spiegel.
    Die Hitze setzt mir wirklich sehr zu, dachte sie. Und der Gedanke, daß ich heute wieder in dieses warme Kostüm schlüpfen muß, ist unvorstellbar.
    Plötzlich erstarrte sie. Sie sah sich nicht im Spiegel. Was war mit ihren Augen? Es war, als ob sie durchsichtig wäre.
    Harriet hob die Hand und tastete über ihren Hals. In panischem Entsetzen fühlte sie die Abdrücke von Zähnen auf ihrem Hals. Die beiden Halbmonde der oberen und unteren Zahnreihe waren tief eingedrückt.
    Mit zitternden Fingerkuppen strich Harriet über die Male am Hals. Sie hatten keinerlei Blutspuren hinterlassen.
    Harriet Gilbert war hellwach.
    Die Gebißspuren auf ihrem Hals und daß sie kein Spiegelbild mehr besaß, waren untrügliche Beweise, daß sie heute nacht keinen Traum, sondern alles wirklich und wahrhaftig erlebt hatte. Und daß Gien Webster, ihr Sekretär, von diesen Bestien umgebracht worden war. Sie hatten ihm den letzten Tropfen Blut ausgesaugt. Er war zusammengeschrumpft auf die Größe einer Puppe und…
    Flüchtig dachte sie an die Nächte, die er ihr mit zärtlichen Spielen vertrieben hatte.
    Wieder strichen ihre Fingerkuppen über die Male auf ihrem Hals.
    Sie erinnerte sich der Worte der Oberhexe Radegonde.
    »Du wirst ein Erkennungszeichen von uns aufgeprägt bekommen!« hatte sie gesagt.
    Harriet erschauerte. Das also war der ›Stempel des Bösen‹, den man ihr aufgeprägt hatte.
    Ihre Schönheit war ruiniert. Jeder würde jetzt wissen, daß sie eine Hexe war. Sie hatte einmal gelesen, daß Hexen unfähig waren, ihr Konterfei im Spiegel zu sehen. Sie war eine Hexe.
    Diese Erkenntnis brachte sie fast um. Aber die Abdrücke auf ihrem Hals

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