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0099 - Hexennacht

0099 - Hexennacht

Titel: 0099 - Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traute Maahn
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von ihrer Garderobiere betreut, angetan mit dem lila Negligé, das alles, was an ihr sehenswert war, preisgab.
    Der lange Hals war mit unechten Perlen geschmückt. Sechzehn Reihen hatte sie benötigt, um den Hals von den Rachenmandeln bis hinunter zum Anfang des Schlüsselbeins zu umwickeln. Sogar der Garderobiere hatte sie nicht gestattet, es zu tun. Sie hatte sich allein in ihrer Garderobe eingeschlossen und sich die aufgereihten Perlen um den Hals gerollt.
    Noch während sie mit Molly flüsterte, weiteten sich ihre Augen. Hinter der Dekoration, zwischen ein paar zusammengerollten Kabeln, tauchte der gräßliche Totenschädel einer Hexe auf.
    Harriet hielt den Atem an. Sie waren also hier, ihre Schwestern aus Boston. Was hatten sie vor? Wollten sie sich nur vergewissern, daß sie sie nicht verriet?
    Ahnungslos ging einer der Atelierarbeiter geradewegs auf die Kabelrolle zu, um sie aus dem Weg zu schaffen.
    Harriets Kehle verengte sich. Der Atem wurde ihr knapp.
    Sfe beobachtete, wie die Hexe blitzschnell aus der Mitte der Rolle aufsprang. In ihren Knochenfingern blitzte eine Klinge. Und plötzlich stand der Arbeiter im blauen Leinenmantel — kopflos da. Die Hexe hielt den Kopf, dessen Mund noch zum Schrei geöffnet und dessen Augen entsetzt aufgerissen waren, in beiden knochigen Armen und lachte lautlos, eine entsetzliche Grimasse schneidend.
    Harriets Hand tastete sich nach Mollys Arm, doch Molly stand nicht mehr neben ihr. Auf einmal war gleißendes Licht auf das Bassin gerichtet, dessen Umfassung — die aus tausend bunten Straßsteinen bestand — vielfältig und farbig schillerte.
    Der Mann mit der Klappe stand da. »Einstellung 103 zum ersten«, schrie er.
    Harriet würgte der Ekel im Hals.
    Sie sah nicht, wie Don Kelly ihr zuwinkte. Sie starrte immer noch zu der Kabelrolle hinüber. Die Hexe mit dem Kopf des Arbeiters war verschwunden, doch der kopflose Körper des Mannes zuckte entsetzlich wie im Veitstanz, wankte der rückwärtigen Hallenwand zu und sprang durch ein geschlossenes Fenster nach draußen.
    Aber merkwürdig — es war kein Geräusch von berstenden Fensterscheiben zu hören.
    »Miß Harriet Gilbert«, vernahm sie die zynische Stimme des Regisseurs. »Soll ich Ihnen eine Einladung mit Goldrand schicken, ja? Ihre Szene hat begonnen.«
    Harriet fuhr herum. Pflichtbewußtsein erfaßte sie. Sie senkte zustimmend den Kopf und trat mit den ihr eigenen berühmten Schritten in den Kegel der Scheinwerfer.
    Dicht am Rand der marmornen Treppe, die ins Wasser führte, blieb sie stehen.
    Sie war ganz auf ihren Körper konzentriert, und diese Gedanken spiegelten sich auf ihrem ebenmäßigen Gesicht wieder.
    Spielerisch öffnete sie einen Knopf des Negligés.
    Die unechten Perlen an ihrem Hals glitzerten. Und Don Kelly dachte: Hol’s der Geier, sie ist schön. Sie ist eine schöne, geistlose Teufelin, aber man muß ihre Formen anbeten…
    Das Negligé sank langsam von ihrem Körper und blieb unter ihr liegen. Mit berechnend kindlichem Lächeln hob sie das rechte Bein und stieg über das Textilbündel. Was für Schenkel sie hatte, was für ebenmäßige Waden… und die Zartheit ihrer Knöchel… in Striptease-Bars sah man so etwas nie.
    Harriet Gilbert gab sozusagen eine Privatvorstellung —- für die ganze Welt. Schon jetzt hatte die Produktion Vorbestellungen von 68 Ländern der Erde — und es liefen bereits Verhandlungen für die Synchronisationen in acht Fremdsprachen. Der Film »Die jadegrüne Rose von Kentucky« mußte ein Welterfolg werden.
    Der rechte nackte Fuß der Diva erreichte die Wasseroberfläche. Drehbuchgerecht wandte sie sich noch einmal um und sah voll in die Kamera. Ein halb lockendes, halb überlegenes Lächeln lag auf ihrem schönen Antlitz.
    »Scheinwerfer aus!« schrie Don Kelly.
    Er stürzte auf Harriet zu. »Du warst hinreißend. Man wird dir und deiner Schönheit ein Denkmal errichten!« schwärmte er. Er küßte ihr die Hand.
    Harriet warf einen Blick zur Kabelrolle hinüber, aber dort wies nichts mehr darauf hin, daß dort vor kurzem eine gräßliche Mordtat passiert war.
    Harriet aber war diesmal nicht bereit, an einen Traum zu glauben.
    Der Mann war geköpft worden. Und man mußte doch den kopflosen Körper finden!
    »Wir drehen noch einmal«, befahl Don Kelly. »Du warst okay, Harriet, aber die Kamera muß bitte mehr links stehen.«
    Harriet trug jetzt wieder das Negligé.
    Sie wußte, daß Don jede Einstellung mindestens fünfmal hintereinander drehte, um sich nachher für

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