01 Arthur und die vergessenen Buecher
Gegenwart etwas sicherer fühlte – er ließ mich vor Larissa zu oft wie einen kleinen, dummen Jungen aussehen.
»Schade«, sagte Larissa.
»Kein Problem!«, rief ich. »Wir werden das Museum auch alleine finden.«
»Davon bin ich überzeugt«, pflichtete Gerrit mir mit einem merkwürdigen Lächeln bei. Machte er sich vielleicht über mich lustig?
Dann sah er uns ernst an. »Ihr dürft auch niemand anderen um Hilfe bitten«, sagte er. »Die Regeln sehen vor, dass ihr ganz alleine das Register holt – oder niemand.«
»Welche Regeln?«, fragte ich.
»Die Bewahrer haben vor langer Zeit eine Reihe von Vorschriften festgelegt«, erklärte er. »Sie sollen sicherstellen, dass nur möglichst wenige Menschen vom Geheimnis der Vergessenen Bücher erfahren. Und zugleich stellen sie einen Test für diejenigen dar, die für den Schutz der Bücher zuständig sind.«
»Und was soll dabei getestet werden?«, wollte ich wissen.
»Um zu einem Bewahrer zu werden, reicht es nicht aus, eine besondere Begabung zu haben. Man muss auch seine Fähigkeit beweisen, unter Druck einen kühlen Kopf zu behalten.«
»Hmm«, brummte ich. »Das hört sich wie eine Aufgabe für Erwachsene an. Indiana Jones vielleicht. Oder James Bond. Oder dich. Das frage ich mich sowieso die ganze Zeit: Du weißt so viel, aber wir sollen für dich die Kastanien aus dem Feuer holen. Wieso fährst du nicht selbst nach Haarlem? Wenn du morgen keine Zeit hast, dann kannst du es ja übermorgen tun. Oder den Tag danach.«
Gerrit schwieg einen Moment. Dann stieß er einen für ihn völlig untypischen Seufzer aus.
»Na gut. Ich will euch die Wahrheit sagen: Ich kann Amsterdam nicht verlassen.«
Das klang mir als Ausrede ziemlich mager. »Und warum nicht?«, fragte ich.
»Das hat auch etwas mit den Gesetzen der Bewahrer zu tun. Mehr darf ich euch im Augenblick nicht sagen. Die Stadtgrenzen von Amsterdam sind auch meine Grenzen. Wenn ich dieses Gesetz breche, wird das fatale Folgen haben für den Schutz der Vergessenen Bücher.«
»Das sagst du . Und wir sollen das schlucken.«
Er zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen. »Eine bessere Erklärung kann ich euch leider nicht anbieten. Ihr müsst mir einfach glauben.«
»Du machst es dir ziemlich einfach«, brummelte ich.
»Wenn ich es mir einfach machen würde, dann wäre ich gar nicht hier«, erwiderte er mit ernstem Gesicht. »Sobald ihr die Regeln besser kennt, werdet ihr das verstehen.«
»Ich glaube dir auch so«, sagte Larissa. Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Für den Moment gab ich mich geschlagen. Mir war klar, dass ich aus Gerrit nicht viel mehr herausbekommen würde.
»Dann bleibt mir nur noch, euch viel Erfolg zu wünschen.« Er tippte sich an den Hut. »Und denk dran, Arthur: Verlass dich auf deine Gefühle.«
Mit diesen Worten verschwand er um die nächste Straßenbiegung. Wir gingen weiter die Gracht entlang. Mir ging immer noch das Bild der verlassenen Festtafel durch den Kopf – und das Gefühl, das dort von mir Besitz ergriffen hatte. Ich fühlte mich innerlich wie äußerlich beschmutzt.
Bei dem Gedanken an die Gemälde lief mir trotz der warmen Nacht erneut ein Schauer den Rücken herunter. Unwillkürlich warf ich einen Blick über die Schulter, ob dort nicht vielleicht der wahnsinnige van Beuningen hinter uns herstiefelte. Ich konnte allerdings nur einen Jungen in Baggy Pants und Kapuzenjacke entdecken, der auf seinem Handy herumspielte. Sonst war niemand zu sehen. Das merkwürdige Gefühl wollte allerdings nicht von mir weichen.
»Ist was?«, fragte Larissa.
»Ich weiß nicht. Ich habe nur so ein komisches Gefühl«, erwiderte ich.
»Das hast du heute schon den ganzen Tag«, sagte sie.
»Stimmt. Vielleicht hat das etwas mit den Albträumen zu tun, die mich die ganze Nacht geplagt haben.«
»Und damit, was wir seit gestern alles erlebt haben«, ergänzte sie. »Die Slivitskys machen wir weniger Angst, das sind ja ganz normale Menschen. Aber diese ganzen alten Geschichten um die Vergessenen Bücher und ihre Bewahrer – das finde ich ziemlich unheimlich.«
Inzwischen hatten wir die Straße erreicht, in der van Wolfens Laden lag.
Nur wenige Minuten später saßen wir an van Wolfens Küchentisch und ließen uns einen Mitternachtshappen aus Huhn und Gemüse mit exotischen Gewürzen schmecken, den Jan in nur zehn Minuten gezaubert hatte.
Nachdem wir von unseren Erlebnissen berichtet hatten, blickte uns van Wolfen, der trotz der späten Stunde noch immer seine
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