01 Arthur und die vergessenen Buecher
wieder ein mysteriöser Vorfall«, murmelte ich.
»Ich entsinne mich«, meldete sich Gerrit zu Wort. Und als er meinen fragenden Blick sah, fügte er schnell hinzu: »Ich habe darüber gelesen. Der Mörder war der Bruder von Charlois’ erster Ehefrau. Angeblich war der frühere Schwager eifersüchtig auf Charlois, weil der wieder geheiratet hatte. Er wurde gefasst und zu lebenslänglicher Zwangsarbeit in Neukaledonien verurteilt. Doch es gab Zweifel, ob er wirklich der Täter war.«
»Wenn dies wirklich die Initialen von Charlois sind«, fuhr Larissa fort, »dann war er einer der Bewahrer. Und man hat ihn vielleicht gerade deshalb umgebracht.«
Das Leben als Bewahrer schien nicht ungefährlich zu sein. Ich googelte noch ein wenig herum, fand aber keine weiteren Informationen über den Mord an Charlois.
Wir packten unsere Unterlagen zusammen und trafen uns mit van Wolfen und Jan in der Küche. Natürlich stand ein selbst gebackener Marmorkuchen nebst Kakao auf dem Tisch.
Wir berichteten von unseren Entdeckungen. Van Wolfen nickte nachdenklich vor sich hin.
»Bologna. Ja, ja. Das ist plausibel. Die Stadt der Gelehrsamkeit. Dort gab es die erste Universität Europas, und einige der ältesten Bücher unseres Kontinents stehen dort in den Bibliotheken.«
»Und was ist mit Boulogne-sur-Mer?«, fragte ich.
Van Wolfen machte eine wegwerfende Handbewegung. »Boulogne ist die Stadt der Fische«, sagte er verächtlich. »Und in der Geschichte ist sie lediglich durch ihre kriegerischen Fürsten bekannt. Nein, nein, wenn irgendwo eines der Vergessenen Bücher versteckt ist, dann in Bologna und nicht in Boulogne.«
»Das glaube ich auch«, pflichtete ihm Gerrit bei, der mit sichtlichem Genuss bereits sein zweites Stück Kuchen verzehrte. »Vor vielen hundert Jahren war bereits das ›Buch der Wege‹ in Bologna versteckt. Boulogne hingegen ist im Zusammenhang mit den Vergessenen Büchern in meinen Unterlagen kein einziges Mal erwähnt.«
Ich spürte einen leichten Druck im Magen, der schnell stärker wurde. Das hörte sich gar nicht gut an. Ich ahnte, was als Nächstes kommen würde.
»Jemand muss nach Bologna.« Van Wolfen sah Larissa und mich an. Es war klar, an wen er bei diesem jemand dachte.
»Das kannst du nicht ernst meinen!« Jan stemmte empört die Hände in die Hüften. »Die beiden sind doch noch Kinder! Was sie hier in den letzten Tagen durchstehen mussten, ist schon schlimm genug.«
»Sie haben sicher recht.« Gerrit hatte ausnahmsweise mal ein ernstes Gesicht aufgesetzt. »Aber ich fürchte, es gibt niemanden sonst, der das Buch der Antworten finden könnte. Außer unseren Gegenspielern vielleicht.«
Ich stand demonstrativ auf. »Dürfen wir auch etwas dazu sagen? Schließlich sind wir es ja, die den Kopf hinhalten sollen. Denn ich nehme nicht an, dass du uns begleiten wirst, Gerrit?«
»Nein, das kann ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Und ich dürfte es auch nicht. Ich habe euch von den Regeln der Bewahrer erzählt. Sie gelten auch für mich.«
»Was wird passieren, wenn wir nicht fahren?«, fragte Larissa.
»Zunächst einmal nicht viel«, erwiderte Gerrit. »Eure Verfolger werden euch allerdings weiterhin auf den Fersen bleiben. Zum Glück wissen sie nicht, was genau ihr aus Teylers Museum geholt habt. Aber sie werden ahnen, dass es etwas mit dem Buch der Antworten zu tun hat. Und solange sie diese Information nicht besitzen, werdet ihr nicht vor ihnen sicher sein. Früher oder später werden sie euch finden und aus euch herausquetschen, was ihr wisst. Und damit werden sie dem Buch der Antworten wieder einen gefährlichen Schritt näher sein.«
»Deiner Meinung nach sind wir also in Bologna sicherer als hier?«, fragte ich ungläubig.
Er nickte. »Wenn es euch gelingt, unbemerkt die Stadt zu verlassen, dann ja.«
»Was meinst du, Arthur?« Larissa blickte mich fragend an.
»Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken«, sagte ich. »Und vielleicht auch ein bisschen frische Luft.«
»Das trifft sich gut.« Gerrit sprang ebenfalls auf. »Ich muss sowieso zurück. Da könnt ihr mich ja begleiten.«
So hatte ich mir das Luftschnappen zwar nicht vorgestellt. Aber zumindest auf dem Rückweg würde ich Gelegenheit dazu haben, mit Larissa unter vier Augen zu reden. Also willigte ich ein.
Van Wolfen wollte einen alten Bekannten in Bologna kontaktieren, natürlich ebenfalls ein Buchhändler. Wenn es nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich darüber gelacht: eine geheime Organisation alter
Weitere Kostenlose Bücher