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01 Arthur und die vergessenen Buecher

01 Arthur und die vergessenen Buecher

Titel: 01 Arthur und die vergessenen Buecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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vorbei, und die Scheinwerfer der Autos waren wie Sternschnuppen, die kurz aufglühen und dann verlöschen. In unserem Waggon war es ruhig geworden. Die ersten Reisenden hatten sich schon zum Schlaf zurückgelehnt.
    Die Ruhe wurde durch das Eintreten des Schaffners unterbrochen. Langsam zog ich meine Hand zurück und fingerte in meiner Umhängetasche nach unseren Fahrkarten.
    Der Schaffner war vielleicht fünfzig Jahre alt und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Ich fragte mich, wie er die Nacht überstehen wollte, wenn er jetzt schon so müde war. Seine Uniformjacke sah aus, als sei sie an manchen Stellen zu groß und an anderen wieder zu klein, was ihr einen komischen unfertigen Eindruck verlieh. Um sein Kinn lag der Schatten eines Dreitagebartes. Trotz dieses etwas wilden Erscheinungsbildes hatte er ein freundliches Gesicht mit Augen, die gerne lachten.
    »Und, Herrschaften?«, fragte er uns. »Wohin soll’s denn gehen?«
    »Nach Bologna«, erwiderte ich.
    »Eine weite Reise ohne Eltern«, sagte er. »Oder habt ihr die irgendwo versteckt?« Er tat so als suche er die Gepäckregale nach ihnen ab.
    Er brachte Larissa zum Lächeln, und dafür war ich ihm dankbar. »Meine Eltern warten in Bologna auf uns«, schwindelte ich. »Mein Vater hat dort eine Stelle an der Universität angetreten und mit meiner Mutter eine Wohnung gesucht und eingerichtet. Wir waren in der Zeit bei unseren Großeltern und fahren jetzt hinterher.«
    »Eine internationale Familie, die ihr da habt«, bemerkte er. »Großeltern in Amsterdam, Eltern in Bologna – da verfügt ihr sicher auch über ein gültiges Ticket?«
    »Klar.« Ich hielt ihm unsere Fahrkarten hin. Er studierte sie kurz, setzte dann seinen Stempel darauf und reichte mir die Karten zurück. »Keine Rückfahrkarten. Ihr bleibt also in Bologna?«
    »Wahrscheinlich«, antwortete ich. » Parlo un po d’Italiano e mia sorella attualmente apprende la lingua .«
    » Benissimo «, grinste der Schaffner. Ein Schild an seiner Brusttasche wies ihn als Herr Immelmann aus. Mit einem » Buon viaggio! « ging er weiter zum nächsten Fahrgast.
    Larissa starrte mich an. »Seit wann kannst du Italienisch?«
    »Kann ich ja gar nicht wirklich«, wehrte ich ab. »Ich bin seit zwei Jahren in der Schule in einer Italienisch-AG. Da bekommt man halt ein paar Sachen mit.«
    »Und was hast du dem Schaffner gerade erzählt?«
    »Ich habe ihm nur gesagt, dass ich bereits ein wenig Italienisch spreche, was ja auch stimmt, und dass meine Schwester gerade dabei ist, es zu lernen – was ja ebenfalls nicht unbedingt gelogen ist.«
    Larissa spitzte die Lippen. »Du überrascht mich immer wieder, Arthur«, sagte sie. Und das war eindeutig ein Lob.
    Das Blut schoss mir mal wieder in den Kopf, und ich war froh, dass der Schaffner die Lichter im Wagen schon ein wenig heruntergedreht hatte, sonst hätte Larissa das womöglich noch bemerkt.
    »Ich schlage vor, wir schlafen auch ein wenig«, sagte ich. Wir kippten unsere Sitze nach hinten und legten uns zurück. Aber mir gingen zu viele Gedanken durch den Kopf, und der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen.
    So lag ich da mit geschlossenen Augen, lauschte dem Rattern des Zuges und dachte darüber nach, ob meine Eltern nicht ebenso verschollen waren wie die Larissas, bis ich irgendwann in einen leichten Dämmerschlaf fiel.

Zwei neue Freunde

    Ich wurde geweckt vom Duft frischen Kaffees. Langsam öffnete ich meine Augen. Larissa schien schon länger wach zu sein, denn sie saß bereits wieder in ihrem Sessel und blätterte in der Bordzeitschrift.
    Ich richtete meine Rückenlehne ebenfalls auf. Durch den Mittelgang kam ein Verkäufer mit einem Wagen voller Getränke und Snacks. Daher stammte auch der Kaffeeduft.
    Ich reckte mich und gähnte. Draußen lag die Landschaft noch im Halbdunkel. Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir, dass es gerade mal kurz nach sechs war.
    »Guten Morgen«, lächelte mir Larissa entgegen.
    »Morgen«, erwiderte ich mundfaul. Ich hatte einen schlechten Geschmack im Mund und die Nacht im Sessel noch in den Knochen. Mit meiner Umhängetasche verzog ich mich in die Toilette, wo ich mir die Zähne putzte und Gesicht und Hände gründlich wusch. Danach fühlte ich mich etwas besser.
    Als ich an unseren Platz zurückkam, standen zwei Becher mit dampfendem Tee auf dem Tisch. »Ich wusste nicht, ob du Kaffee magst, deshalb habe ich Tee bestellt«, erklärte Larissa.
    Das war mir nur recht. Wenn es nicht anders ging, trank ich zwar auch mal eine Tasse

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