01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Ehefrau des Mannes, der die Stiftung ins Leben gerufen hat, starb an CJ, und seitdem hat er sich der Suche nach einer Heilung für diese Krankheit verschrieben.«
»Was ist CJ?« fragte Kincaid. »Oder müßte ich das wissen?«
»Verzeihen Sie. Das steht für Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Sie verursacht Orientierungsstörungen, Muskelkrämpfe, vorzeitigen Schwachsinn. Und sie ist tödlich. Man vermutet, daß sie durch ein Viruspartikel, das als Prion bezeichnet wird, hervorgerufen wird.« Auf seinen fragenden Blick erläuterte sie: »Prione sind Sub-Viren, reines Protein ohne eigene dna. Sie beuten das Protein in Wirtszellen zur Replikation aus. Prion scheint eine infektiöse Perversion einer normalen menschlichen Proteinzelle namens PrP zu sein - ach, du meine Güte, ich muß Sie schon wieder um Entschuldigung bitten. Eigentlich müßte ich das doch längst wissen. Diesen glasigen Blick kenne ich zur Genüge.«
»Ist Ihre Klinik in London?«
»Nein, in Oxford. Wir sind eine kleine Einrichtung, und Miles wohnt im obersten Stockwerk des Hauses.«
»Miles?«
»Miles Sterrett. Die Klinik ist nach seiner Frau, Julia Sterrett, benannt. Sie war noch sehr jung, als sie an dieser Krankheit starb, und er war untröstlich. Er hat sich danach gesundheitlich nie mehr ganz erholt, und in letzter Zeit geht es ihm gar nicht gut. Kleine Schlaganfälle, sagt der Arzt.«
Hannah trank von ihrem Wein, und Kincaids Augen folgten ihrem Blick, als sie eine Jagdszene betrachtete, die neben dem Kamin hing. Die zuckenden Schatten auf den langgestreckten Pferdekörpern erinnerten ihn an eine Höhlenmalerei, die er einmal gesehen hatte.
Sie stellte ihr Glas ab und sah ihn lächelnd an. »Und was machen Sie?« fragte sie, das Thema wechselnd. »Penny sagte, Sie seien Beamter.«
Die Versuchung war unwiderstehlich. »Richtig. Ich sitze eigentlich den ganzen Tag am Schreibtisch.« Er fühlte sich Millionen Meilen von New Scotland Yard entfernt, und er wollte die schillernde Seifenblase dieses Abends nicht platzen lassen. Zum Teufel mit den Konsequenzen.
»Das paßt aber nicht zu Ihnen. Vielleicht sind Sie in Wirklichkeit ein Spion.«
Kincaid lachte. »Du lieber Gott, nein. Das hätte gerade noch gefehlt, ein Mantel-und-Degen-Bürokrat.«
Hannah runzelte die Stirn und rückte das säuberlich abgelegte Besteck einen Millimeter weiter zur Mitte. »Dabei fällt mir ein - bei Mantel und Degen, meine ich -, vor ungefähr einem halben Jahr ist in meiner Wohnung eingebrochen worden. Der Einbrecher hat nicht viel mitgenommen, nur meine Uhr, einen billigen Fotoapparat und etwas Schmuck, nichts Wertvolles. Aber es war alles durchwühlt. Mein Schreibtisch, alle Schränke und Kommoden. Es war ein scheußliches Gefühl. Ich war wütend, und gleichzeitig bekam ich die Gänsehaut, wenn ich daran dachte, daß ein Fremder an meinen Sachen gewesen war. Sogar an meiner Unterwäsche. Ich weiß, es ist albern«, fügte sie leicht verlegen hinzu, »aber...«
»Keineswegs«, widersprach Kincaid. »Den meisten Menschen geht es genauso. Sie sind wütend und fühlen sich in ihrer Intimsphäre verletzt, und es dauert meist lange, bis dieses Gefühl sich gibt.« Es waren die beschwichtigenden Worte des Polizeibeamten, aus der Erfahrung geboren. Er hatte zu Beginn seiner Laufbahn beim Einbruchsdezernat gearbeitet und genug verstörte Opfer getröstet, die den persönlichen Übergriff fast immer schwerer erträglich fanden als den Verlust irgendwelcher mehr oder weniger wertvoller Dinge. Hannah musterte ihn mit Interesse und holte Luft, um eine Frage zu stellen.
Jetzt hab’ ich’s gründlich verpatzt, dachte er. Ich bin wirklich ein Meister der Täuschung. Ein Themawechsel würde den Abend vielleicht retten, wenn er es schaffte, nicht gleich wieder ins Fettnäpfchen zu treten. »Die Kellnerin macht ein Gesicht, als würde sie uns gern rauswerfen. Wollen wir gehen?«
Sie trafen sich auf dem Vorplatz von Followdale House. Einen Moment standen sie verlegen zwischen Hannahs neuem Citroën und dem altgedienten Midget. Kincaid hatte das Gefühl, sich für seinen alten Freund entschuldigen zu müssen. »Er ist mir ans Herz gewachsen«, erklärte er mit leichtem Spott. »Alter und Schönheit gehen Hand in Hand.«
Hannah lachte, und die Befangenheit zwischen ihnen legte sich. »Und auch in diesem Fall liegt die Schönheit ganz im Auge des Betrachters.«
Der Abend war dunstig und ungewöhnlich mild für
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