01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
Lächeln, »hat eigentlich den Schlüssel zur Wohnung?«
Meg senkte den Blick zum Tisch und drehte ihre Tasse in den Händen. »Ich. Jasmine hat mich gebeten, mir einen machen zu lassen, falls sie mal verhindert sein sollte, mir aufzumachen, wenn ich kam.«
»Und warum haben Sie nichts davon gesagt?«
»Ich habe nicht daran gedacht.« Meg sah ihn offen an. »Ehrlich. Ich war so durcheinander, daß es mir überhaupt nicht eingefallen ist. Ist es denn wichtig?«
»Erzählen Sie mir noch einmal, was geschah, nachdem Sie am vergangenen Donnerstagnachmittag von Jasmine weggegangen waren.«
Sie überlegte einen Moment, und ihr Gesicht entspannte sich allmählich. »Ich bin zu Fuß nach Hause gegangen. Ich konnte nicht stillstehen, ich hatte nicht die Geduld, auf den Bus zu warten. Ich hatte das Gefühl, mir müßte vor Erleichterung darüber, daß Jasmine sich das mit dem Selbstmord anders überlegt hatte, das Herz zerspringen. Es war so ein herrlicher Tag, erinnern Sie sich?«
Kincaid nickte, sagte aber nichts, da er nicht riskieren wollte, den Wortfluß zum Stillstand zu bringen.
»Alles war so klar und scharf umrissen; die Lichter, die überall angingen, die Menschen auf den Straßen, die von der Arbeit nach Hause gingen. Ich fühlte mich zu allem dazugehörig und doch auch wieder darüber hinausgehoben. Mir war, als könnte ich Berge versetzen.« Sie blickte von Kincaid zu Theo. »Das klingt absurd, nicht wahr?«
»Gar nicht«, versicherte Theo eilig. »Ich weiß genau -«
Kincaid unterbrach ihn. »Und wie ging es dann weiter, Meg?«
Sie schob sich das Haar hinter das Ohr und betrachtete dann ihre Hände. »Er war da, als ich kam. In meinem Zimmer. Er hatte auf mich gewartet.«
»Roger?« fragte Kincaid. Margaret nickte, sagte aber nichts. Kincaid wartete einen Moment, dann hakte er nach. »Und Sie haben ihm erzählt, was geschehen war, nicht wahr?«
Wieder nickte sie. Das Haar fiel ihr von neuem ins Gesicht, aber diesmal schob sie es nicht zurück.
»Was hat Roger getan?«
Das Schweigen zog sich in die Länge. Theo öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Kincaid warf ihm rasch einen warnenden Blick zu und schüttelte den Kopf.
»Ich dachte, er würde losbrüllen. Das tut er sonst immer.«
Kincaid bemerkte, daß es dunkel zu werden begann. Die Häuser im Westen nahmen der Wohnung die letzte Sonne. Schweigend saßen sie alle drei im Schein der Lampe.
Schließlich holte Margaret einmal tief Atem, warf einen Blick auf Theo und sah dann Kincaid an, als sie sprach. »Er wurde ganz still. Ich hatte ihn schon ein- oder zweimal vorher so erlebt, wenn er richtig wütend war. Es klingt harmlos, aber es ist viel schlimmer als alle Worte. Es ist beinahe wie -«, sie runzelte die Stirn auf der Suche nach der passenden Beschreibung, »wie körperliche Gewalt. Wie ein Schlag.«
»Er sagte gar nichts ?« fragte Kincaid mit einem Anflug von Ungläubigkeit in der Stimme.
»Oh, doch, zuerst hat er mir alles mögliche an den Kopf geworfen - sie verzog das Gesicht zur Grimasse, »aber es klang so, als wäre er in Gedanken ganz woanders, verstehen Sie.«
»Ist er dann gleich gegangen?«
Margaret schüttelte den Kopf. »Nein. Dabei habe ich mir gewünscht, er würde gehen. Die ganze schöne Stimmung vom Heimweg war plötzlich wie weggeblasen. Aber ich wußte, daß es keinen Sinn hatte, ihn zu bitten zu gehen. Das hätte die ganze Situation noch schwieriger gemacht.«
Kincaid erinnerte sich, wie durchbohrend seine Frau hatte schweigen können, wie bedrückend es gewesen war, mit einem Menschen, der das Schweigen als Waffe gebrauchte, in einem engen Raum eingeschlossen zu sein.
»Sie haben versucht, mit ihm zu sprechen, nicht wahr?« Das Mitgefühl machte seine Stimme freundlicher als er beabsichtigt hatte. »Um ihn zu versöhnen, um eine Reaktion herauszufordern ?«
Sie antwortete nicht. Der Ausdruck der Scham auf ihrem Gesicht sagte mehr als alle Worte. Aber nach einem Moment sagte sie doch: »Ich habe mich am Ende einfach aufs Bett gelegt und die Augen zugemacht und getan, als wäre er nicht da. Bis er schließlich gegangen ist.«
»Wo waren Ihre Schlüssel, Meg?«
Ihr erschreckter Blick begegnete dem seinen. Sie griff nach ihrer Handtasche und klopfte leicht darauf. »Hier. Wo sie immer sind.«
»Haben Sie das Zimmer einmal verlassen, solange Roger da war?«
»Nein, natürlich -« Sie brach ab und
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