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01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut

Titel: 01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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in dem sie ihn zurückließ, war kalt, blitzsauber, ordentlich und bar allen Charmes und jeglicher Gemütlichkeit. Die Luft roch so muffig wie ein alter Schiffskoffer. Die Tapete war einmal rosarot gewesen. Die Möbel, vor fünfzig Jahren vielleicht neu und von zweifelhaftem Geschmack, konnten Mrs. Wades Eltern gehört haben. Es gab keine Bücher, kein Fernsehgerät, kein Radio. Sie muß in der Küche leben, dachte Kincaid, oder im hinteren Zimmer. Dieser Raum war bestimmt seit dem vorletzten Todesfall in der Familie nicht mehr benutzt worden.
      Das Teegeschirr stand sorgfältig geordnet auf einem alten Blechtablett, nichts paßte zusammen.
      »Mrs. Wade«, begann Kincaid, nachdem sie sich gesetzt hatte und damit beschäftigt war, den Tee einzuschenken, »wie haben Sie gestern davon erfahren, daß Ihr Sohn tot ist? Hat es Ihnen jemand gesagt?«
      »Er selbst.« Ihre Stimme war tonlos. Sie sah ihn flüchtig an und wandte sich wieder ihrem Tee zu. Sie hielt ihre Tasse nahe vor der Brust, umschloß sie mit beiden Händen, als könnte sie aus ihrer Wärme Kraft schöpfen. »Ich bin in der Nacht aufgewacht, das heißt, eigentlich war es schon früher Morgen, und ich habe gespürt, daß er da war, in meinem Zimmer. Er hat nicht richtig mit mir gesprochen, nicht laut, meine ich, aber irgendwie habe ich gespürt, daß er mich wissen lassen wollte, daß es ihm gut geht und daß ich mir keine Sorgen um ihn machen soll. Da habe ich gewußt, daß er tot ist. Das ist alles. Aber ich hab’ es gewußt.«
      Und dann war sie aufgestanden und hatte sich angekleidet und darauf gewartet, daß jemand kommen und es ihr sagen würde, um den Tod amtlich zu machen. Vor zehn Jahren hätte Kincaid auf ihre Geschichte mit Geringschätzung reagiert, sie als Ausgeburt einer vom Schmerz überreizten Phantasie abgetan. Aber er hatte zu viele ähnliche Berichte gehört, um nicht einen gewissen Respekt vor den geheimnisvollen Kräften der Seele zu haben.
      Behutsam stellte er seine Tasse ab, und ihre Veilchen vereinigten sich mit den Rosen der Untertasse zu zarter Fülle. Mrs. Wades Aufmerksamkeit hatte sich wieder von ihm abgewandt. Geistesabwesend starrte sie die gegenüberliegende Wand an, die vergessene Teetasse noch mit beiden Händen umschlossen.
      »Mrs. Wade«, sagte er leise, »wer waren Sebastians Freunde?«
      Ihr Blick kehrte aufgestört zu ihm zurück. »Er hat eigentlich gar keine Freunde gehabt, nein. Er war ja fast jeden Tag bis spätabends in der Arbeit. Und nach der Arbeit ist er gern noch in den...«, sie geriet einen Moment ins Stocken, »in den Pool gegangen. Das sei eine der positiven Seiten des Jobs, hat er immer gesagt. Ich weiß, daß er mit dieser Cassie nicht zurechtgekommen ist. Er sagte, sie behandele jeden von oben herab, obwohl sie selber auch nichts Besseres sei. Ihr Vater hat in Clapham auf dem Bau gearbeitet. Er war Polier oder so was. Aber sie tut anscheinend immer so, als käme sie aus adligen Kreisen. Er hat mir oft von den Leuten erzählt, die ins Hotel gekommen sind, was sie angehabt und wie sie geredet haben. Er hat das so gut gemacht, daß ich manchmal das Gefühl hatte, sie wären hier bei mir im Zimmer.« Sie lächelte bei der Erinnerung, und Kincaid konnte Sebastian hören, wie er mit heller Stimme boshaft das prätentiöse Gerede seiner ahnungslosen Opfer nachahmte. »Aber es hat ihn nie jemand hier besucht. Wenn er nicht gearbeitet hat, saß er meistens in seinem Zimmer.«
      »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir Sebastians Zimmer einmal ansehe, Mrs. Wade?«
      Er wußte selbst nicht, was er erwartet hatte. Aber ganz gleich, was für Vorstellungen er vielleicht im Kopf gehabt hatte - Wände voller Poster zum Beispiel, Reste von Adoleszenz dem, was ihn empfing, hatten sie in keiner Weise entsprochen.
      In dieses Zimmer, so schien es, hatte Sebastian das ganze Geld gesteckt, das ihm nach Bezahlung der Raten für sein Motorrad und nach den Ausgaben für Kleidung geblieben war. Der ganze Boden war mit einem blaßgrauen Berberteppich ausgelegt, der sehr teuer aussah. Planmäßig und überlegt verteilt standen üppige Grünpflanzen. Kommode und Stühle sahen aus wie Antiquitäten, schienen mindestens gute Reproduktionen zu sein. Das Bett, ebenfalls eine Antiquität oder eine gute Reproduktion, erinnerte an einen Schlitten. An den perlgrauen Wänden hingen gerahmte Drucke von Museumsqualität, vor allem moderne Maler, aber auch, wie Kincaid zu erkennen meinte, ein, zwei

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