01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
schwoll bedrohlich an.
»Schluß jetzt, Trevor. Ich hab’ dir gesagt...«
Kincaid prallte beinahe mit ihnen zusammen. Nach Luft schnappend sagte er: »Ist da unten noch jemand?«
»Von uns nicht.« Der Mann streckte richtungsweisend den Arm aus. »Ein Stück weiter flußabwärts sind noch ein paar Leute.«
»Zwei Personen?«
Der Mann überlegte. »Ich glaube, ja. Aber beschwören kann ich es nicht.«
Kincaid rannte weiter, hatte sie schon vergessen, während sie ihm noch erstaunt nachblickten.
Beinahe hätte er den Wegweiser und die schmale Öffnung im grünen Gewirr der Böschung übersehen. »Untere Fälle. Nur Ausgang.« Ohne auf die diskrete Warnung des Schilds zu achten, jagte er den Weg hinunter.
Er rutschte auf Sand und Geröll in halsbrecherischem Tempo abwärts. In einer Wolke aufspritzender Steine und mit einem letzten Griff nach einem Busch schlitterte er aus den Bäumen heraus auf die ebene Fläche der Böschung.
Zehn Meter von ihm entfernt stand Hannah Alcock über den Flußrand geneigt. Hinter ihr stand vorgebeugt Eddie Lyle, und Kincaid sah einen weißen Stein in seiner Hand aufblitzen.
Er schrie, hinterher wußte er nicht mehr, was. In seiner Erinnerung war es ein wortloser, endlos widerhallender Schrei zu der Zeitlupenszene, die sich vor ihm abspielte.
Hannah richtete sich auf und drehte sich um. Ihr Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, als sie ihn erkannte. Lyle erstarrte. Und einen Augenblick später schlang er Hannah blitzschnell seinen Arm um den Hals und griff mit der anderen Hand in seine Jackentasche. Kincaid sah stumpfen Glanz, als Lyle seine Hand aus der Tasche zog und sie an Hannahs Schläfe hob.
Eine Pistole. Der Schweinehund hatte eine Schußwaffe. Hannahs kurze Gegenwehr erstarb, als Lyle ihr die Pistole an den Kopf drückte.
Kincaid hob seine Hände und ging vorsichtig ein paar Schritte weiter.
»Kommen Sie nicht näher!« schrie Lyle schrill. Gleichzeitig umfaßte er Hannahs Hals fester, und Kincaid sah, wie ihre Augen sich verdrehten.
»Können Sie mich hören, Eddie?« Kincaid schrie nicht. Er hatte Angst, das könnte die Situation nur noch explosiver machen. »Hören Sie mir zu, Eddie. Es hat keinen Sinn. Lassen Sie sie los!«
»Keinen Sinn? Wieso?« Lyle lachte. »Und warum sollte ich Sie nicht einfach beide umlegen? Kein Mensch würde was erfahren.« Seine wichtigtuerische Pingeligkeit war einer Art fiebriger Erregung gewichen. Er genießt es, dachte Kincaid. Die Morde an Sebastian Wade und Penny MacKenzie mochten Notmaßnahmen gewesen sein, aber inzwischen genoß Lyle das Töten. Diese Erkenntnis entsetzte ihn.
Hannah mußte einen Laut von sich gegeben haben, denn Lyle drückte ihren Kopf noch weiter nach hinten. »Ich kann tun, was mir gefällt, Superintendent.« Die Worte troffen vor Verachtung.
»Wenn Sie uns töten, wird das nichts ändern, Eddie. Sie haben Spuren hinterlassen. Im Labor hat man auf dem Taschentuch, das Sie versteckt haben, latente Fingerabdrücke gefunden. Und außerdem Penny MacKenzies Blut.«
Ein Schatten des Zweifels flog über Lyles Gesicht. Kincaid nutzte seinen Vorteil. »Sie müssen das schon sehr lange geplant haben, Eddie. Sie und Ihre Mutter waren Miles Sterretts einzige Verwandte. Wie nett von Ihrer Mutter, daß sie etwa um die gleiche Zeit das Zeitliche gesegnet hat, als Sie in Hannahs Wohnung einbrachen. Da haben Sie wohl den Kreis der Erben ein wenig verkleinert, was, Eddie?«
»Das sind doch nur alte Polizeitricks, Kincaid. Reden, reden, bis die Verstärkung kommt, wie? Haben Sie im Ernst geglaubt, darauf würde ich hereinfallen?« Hinter Lyles leichten, spöttischen Worten war die Feindseligkeit zu hören, die ihn trieb. »Sie haben die Schmeicheleien vergessen, Superintendent.«
Kincaid schluckte. Sein Mund war so trocken, daß er kaum einen Ton hervorbringen konnte. »Darauf wollte ich noch kommen.« An Verstärkung sollte Eddie Lyle jetzt auf keinen Fall denken - er sollte glauben, er hätte alle Zeit der Welt. Aber wo zum Teufel blieb Gemma?
Und mit welchen Argumenten konnte er diesen Mann hinhalten, der nichts zu verlieren hatte? Lyle würde Miles Sterretts Geld niemals zu sehen bekommen; auf ihn wartete eine lebenslängliche Zuchthausstrafe, egal, ob er Hannah und Kincaid auch noch tötete.
»Vielleicht wären Sie so nett, meine Neugier zu befriedigen, Eddie. Ich weiß, daß Penny Sie an dem Abend gesehen hat, an dem Sie
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