01 Das Hotel im Moor 02 Alles wird gut
sonst, als hätten die Gedanken an Pennys bevorstehende Beerdigung bereits all ihre innere Kraft absorbiert.
Kincaid hielt ihre breite, kräftige Hand einen Moment in der seinen. »Es tut mir leid, daß Penny das geschehen mußte, Emma. Wenn ich nur...«
»Nehmen Sie nicht zuviel Schuld auf sich, junger Mann.« Emma sah ihn mit ihren klaren grauen Augen sehr direkt an. »Sie hätte Ihnen sagen sollen, was sie an dem Abend gesehen hatte. Sie hatte ausreichend Gelegenheit dazu.« Emma wandte den Blick ab und fuhr ein wenig geistesabwesend fort: »Meine Schwester war keine dumme Frau, auch wenn sie häufig verhuscht war. Manchmal frage ich mich, ob sie... aber lassen wir das. Vorbei ist vorbei.« Sie schüttelte kurz Kincaids Hand und spannte ihren Schirm auf, um dem Regen zu begegnen.
In stillschweigender Übereinstimmung traten die zurückgebliebenen vier gemeinsam ins Freie hinaus. Patrick Rennie, der seine Frau im Hotel gelassen hatte, hielt besitzergreifend Hannahs Arm. Ihre vom Schock noch immer schmal und eingefallen wirkenden Gesichter waren einander sehr ähnlich. Patrick, dachte Kincaid, war dabei, sein gestriges Verhalten wiedergutzumachen.
Gestern war es Kincaid gewesen, der Hannah gehalten und ihr die Blutspritzer vom Gesicht gewischt hatte. »Es ist ja gut. Es wird alles gut. Ihnen ist nichts passiert.« Die Worte, die er ständig wiederholt hatte, fielen ihm jetzt wieder ein, obwohl er sich ihrer in jenem Moment gar nicht bewußt gewesen war.
Er erinnerte sich, wie Gemma neben ihm gekauert und Hannah die eisigen Hände gerieben hatte. Wie Sterne hatten ihre Sommersprossen ihr weißes Gesicht gesprenkelt.
Patrick hatte sich in die Büsche geschlagen, um sich zu übergeben.
Heute morgen hatte Gemma Schreibarbeit vorgeschützt und war im Followdale House zurückgeblieben, aber Kincaid hatte den Verdacht, daß das nur ihre Art war, ihm die Möglichkeit zu geben, abzuschließen und zur Ruhe zu kommen.
Aber Kincaid war nicht allein zu Sebastians Beerdigung gegangen. Seinem Vorsatz getreu hatte er Angela Frazer mitgenommen. Still und schweigsam saß sie neben ihm im Wagen, und selbst ihr Haar wirkte ohne die violetten Stachelsträhnen friedlich und gedämpft. Erst als er einen Parkplatz in der Nähe der Kirche gefunden hatte, sprach sie, den Blick starr auf die Wasserbäche gerichtet, die an der Windschutzscheibe herabliefen. »Es ist ungerecht.«
»Ja«, antwortete er und ging um den Wagen herum, um ihr herauszuhelfen.
Sie stand jetzt neben ihm, während Graham Frazers schwarzer Ford an den Bordstein heranfuhr. »Ich muß fahren.« Angela sah ihn mit ernstem Blick an. »Danke. Was ich gesagt habe, tut mir leid... Sie wissen schon.« Dann stellte sie sich auf Zehenspitzen, streifte mit ihren Lippen rasch die seinen und lief den Weg hinunter.
»Glauben Sie, sie wird sich fangen?« fragte Hannah, während sie ihr beide nachblickten.
Kincaid lächelte und strich sich mit einem Finger über die Lippen. »Ich sehe da gewisse Anzeichen für Kraft und Flexibilität. Ich würde sagen, es ist möglich. Wenn sie ihre Eltern noch ein, zwei Jahre aushalten kann. Wenn sie sie und ihre Streitereien hinter sich lassen und sich ihr eigenes Leben gestalten kann.« Kincaid wandte sich Hannah zu. »Aber mich würde interessieren, wie es Ihnen geht.«
Hannah schauderte. »Für mich ist alles immer noch unfaßbar. Sebastian und Penny hätten nicht zu sterben brauchen. Sie hatten keinerlei Verbindung zu mir.«
»Ja, genau das hat alles durcheinandergebracht. Wenn wir gleich von Anfang an jemanden gesucht hätten, dem es darum ging, Sie aus dem Weg zu haben, hätten wir ihn früher entdeckt. Er war nicht ganz so schlau, wie er selbst glaubte.«
»Aber doch immerhin so schlau«, warf Patrick ein, »daß sein Plan beinahe geglückt wäre.«
»Ich glaube, er hat das lange, lange geplant. Die Vorstellung, daß Hannah zwischen ihm und dem Geld seines Onkels stand, muß ihm zur fixen Idee geworden sein.«
»Aber Miles hatte doch nie die Absicht, mir etwas zu hinterlassen«, protestierte Hannah verwundert.
»Nicht direkt, nein. Aber für Eddie machte es keinen Unterschied, ob das Geld an Sie direkt gehen oder der Klinik zugute kommen würde.« Kincaid machte eine kurze Pause, um seine Gedanken zu ordnen. »Nach dem, was Janet gestern abend erzählte, hatte Eddie kaum persönlichen Kontakt mit seinem Onkel - Janet fiel nicht einmal auf Anhieb sein Name
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