01_Der Fall Jane Eyre
quietschbunten Porsche fehlte jede Spur.
Mein Wagen schoß dahin. An die Stelle der Autobahn war eine
wildwirbelnde Masse aus Licht und Farben getreten, mit der weder
Bowden noch ich etwas anfangen konnten. Gelegentlich nahm das
Chaos erkennbare Gestalt an, und ein paarmal glaubten wir sogar, in
die stabile Zeit zurückgekehrt zu sein, wurden im nächsten
Augenblick jedoch erneut in den Strudel gerissen, wo der Taifun toste.
Beim ersten Mal befanden wir uns plötzlich auf einer Straße in den
Home Counties rings um London. Es war Winter, und direkt vor uns
bog ein hellblauer Austin Allegro aus einer Einfahrt. Ich drückte
wütend auf die Hupe, wich aus und raste vorbei. Sofort zersplitterte
das Bild und fügte sich zum schmutzigen Frachtraum eines Schiffes.
Der Wagen klemmte zwischen zwei Kisten auf dem Weg nach
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Shanghai. Das Heulen des Strudels hatte nachgelassen, dafür hörten
wir ein neues Brüllen, das Brüllen eines Sturms auf hoher See. Das
Schiff schlingerte, und Bowden und ich sahen uns fragend an: War
unsere Reise hier zu Ende? Das Brüllen wurde immer lauter, bis der
feuchte Frachtraum implodierte und einem weißgetünchten
Krankensaal Platz machte. Der Orkan legte sich, der Motor des
Wagens tuckerte im Leerlauf vor sich hin. In dem einzigen belegten
Bett lag eine schläfrige, verwirrte Frau mit dem Arm in der Schlinge.
Ich wußte, wen ich vor mir hatte.
»Thursday …!« rief ich aufgeregt.
Die Frau im Bett runzelte die Stirn. Sie sah zu Bowden, der winkte
fröhlich zurück.
»Er ist nicht tot!« rief ich. Inzwischen wußte ich, daß es die
Wahrheit war. Das Brüllen des Sturms kam wieder näher. Nicht mehr
lange, und er würde uns mit sich fortreißen.
»Der Autounfall war ein Trick! Leute wie Acheron sind so leicht
nicht totzukriegen! Nimm den LitAg-Job in Swindon!«
Der Frau im Bett blieb gerade noch genug Zeit, mein letztes Wort zu
wiederholen, als sich die Erde auftat und wir von neuem in den
Mahlstrom stürzten. Nach einem überwältigenden Spektakel aus
buntem Lärm und lautem Licht wurde der Strudel durch den Parkplatz
einer Autobahnraststätte ersetzt. Der Sturm flaute ab und legte sich.
»War’s das?« fragte Bowden.
»Ich weiß nicht.«
Es war Nacht, und die Straßenlaternen tauchten das regennasse
Pflaster des Parkplatzes in gelbes Licht. Neben uns hielt ein Wagen,
ein großer Pontiac, in dem eine Familie saß. Die Frau schalt ihren
Mann, weil er am Steuer eingeschlafen war, und die Kinder weinten.
Sie waren anscheinend nur um Haaresbreite einem Unfall entgangen.
»Entschuldigung!« schrie ich. Der Mann kurbelte sein Fenster
herunter.
»Ja?«
»Welches Datum haben wir heute?«
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»Welches Datum?«
»Den 18. Juli«, antwortete die Frau und warf ihm und uns einen
erbosten Blick zu.
Ich dankte ihr und drehte mich wieder zu Bowden um.
»Dann sind wir drei Wochen in der Vergangenheit?« fragte er.
»Oder neunundvierzig Wochen in der Zukunft.«
»Wenn nicht hunderteins.«
»Ich will wissen, wo wir sind.«
Ich stellte den Motor ab und stieg aus. Bowden tat es mir nach, und
zusammen gingen wir zum Restaurant. Hinter dem Gebäude sah man
die Autobahn und dahinter die Fußgängerbrücke hinüber zur
Raststätte auf der anderen Seite.
Mehrere Abschleppwagen, die leere Autos hinter sich herzogen,
fuhren an uns vorbei.
»Hier stimmt doch was nicht.«
»Allerdings«, antwortete Bowden. »Nur was?«
Plötzlich flog die Restauranttür auf, und eine Frau bahnte sich einen
Weg nach draußen. Sie hatte eine Pistole in der Hand und stieß einen
Mann vor sich her, der prompt ins Straucheln geriet. Bowden zog
mich hinter einen geparkten Lieferwagen. Wir linsten vorsichtig um
die Ecke und sahen, daß die Frau ungebetenen Besuch bekommen
hatte; wie aus dem Nichts waren mehrere Männer erschienen, alle
bewaffnet.
»Ach du Scheiße …!« flüsterte ich, als mir klar wurde, was hier los
war. »Das bin ich!«
Und tatsächlich. Ich sah zwar etwas älter aus, war aber doch
zweifellos ich selbst. Das war auch Bowden nicht entgangen.
»Was haben Sie denn mit Ihren Haaren angestellt?«
»Gefallen Sie Ihnen lang besser?«
»Natürlich.«
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Einer der drei Männer befahl meinem anderen Ich, die Waffe fallen
zu lassen. Ich/sie sagte etwas, das wir nicht verstehen konnten, warf
die Waffe weg und ließ den Mann los. Einer der anderen Männer
packte ihn unsanft und riß ihn an sich.
»Was soll das alles?« fragte ich völlig
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