01_Der Fall Jane Eyre
Bowden sich um und sah,
daß die Sonne immer schneller aufstieg. Und jetzt erschien auch ein
Hubschrauber mit dem unverwechselbaren »CG«-Emblem am Rumpf.
Vor uns war jetzt nur noch der Motorradfahrer, der sich dem
wirbelnden schwarzen Loch langsam, aber unausweichlich zu nähern
begann. Er trug rote Lederkluft und fuhr eine teure, PS-starke
Triumph, ironischerweise die einzige Maschine, mit der er dem
Strudel hätte entkommen können, wenn er gewußt hätte, wo das
Problem lag. Es hatte uns weitere sechs Minuten gekostet, ihn
einzuholen, als mit einem Schlag ein ohrenbetäubendes Heulen
einsetzte, das selbst den Fahrtwind übertönte; so ähnlich mußte ein
Taifun klingen, wenn er über einen hinwegzog. Wir waren noch gut
dreieinhalb Meter hinter dem Motorrad und hatten Mühe, mit ihm
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Schritt zu halten. Die Tachonadel des Porsche zeigte fast neunzig. Ich
drückte auf die Hupe, doch das ging im Getöse unter.
»Achtung!« rief ich Bowden zu, während der Wind wie wild an
unseren Haaren und Kleidern zerrte. Ich betätigte zum wiederholten
Mal die Lichthupe; endlich sah er uns. Er drehte sich um und winkte,
wohl weil er irrtümlich annahm, wir wollten ihn zu einem Rennen
drängen, schaltete einen Gang herunter und zog davon. Im Nu hatte
der Wirbel ihn erfaßt, und er schien sich erst zu dehnen, dann zu
strecken und schließlich sein Inneres nach außen zu stülpen, bevor ihn
die Instabilität verschlang; in Sekundenschnelle war er verschwunden.
Da wir unmöglich noch näher heranfahren konnten, trat ich auf die
Bremse und brüllte: »Jetzt!«
Mit qualmenden Reifen schlitterten wir über den Asphalt. Bowden
warf den Basketball, und wir sahen, wie er das Loch traf und einmal
aufsprang. Ich blickte auf die Uhr, während wir durch das Loch in den
Abgrund hineinrasten. Der Basketball versperrte endgültig den Blick
auf die Welt hinter uns, und wir stürzten ins Anderswo. Bis zu dem
Punkt, wo wir das Ereignis passiert hatten, waren zwölf Minuten und
einundvierzig Sekunden verstrichen. Draußen waren es fast sieben
Stunden.
»Das Motorrad ist verschwunden«, sagte Colonel Rutter. Sein
Stellvertreter grunzte nur. Er konnte es nicht leiden, wenn Amateure
sich als ChronoGarden versuchten. Schließlich war es ihnen gelungen,
die mystische Aura, welche die Garde umgab, über fünf Jahrzehnte
aufrechtzuerhalten, mit dem entsprechenden Salär; tollkühne Helden
störten da nur, denn sie erschütterten das eiserne Vertrauen der
Menschen in die Arbeit der CG. Und diese Arbeit war weiß Gott nicht
schwer; sie brauchte bloß sehr viel Zeit. Er selbst hatte einen
ähnlichen Riß in der Raumzeit gekittet, im Stadtpark von Weybridge,
auf halber Strecke zwischen Blumenuhr und Konzertpavillon. Die
eigentliche Reparatur hatte keine zehn Minuten gedauert; er war
schlicht hineinspaziert und hatte das Loch mit einem Tennisball
gestopft, während draußen sieben Monate vergingen – sieben Monate
mit doppeltem Gehalt plus Zulagen, die Firma dankt.
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Die ChronoGardisten stellten eine große Uhr auf, deren Zifferblatt
auf das Loch gerichtet war, damit die Agenten im Einflußbereich des
Kraftfeldes wußten, was vor sich ging. Eine ähnliche Uhr an der
Rückseite des Helikopters vermittelte den außerhalb postierten
Beamten eine ungefähre Vorstellung davon, wie langsam die Zeit im
Innern tatsächlich verrann.
Nach dem Verschwinden des Motorrades warteten sie noch eine
halbe Stunde, um zu sehen, wie es weiterging. Sie beobachteten, wie
Bowden langsam aufstand und einen Basketball warf.
»Zu spät«, murmelte Rutter, der so etwas schon hundertmal erlebt
hatte. Er erteilte seinen Männern den Einsatzbefehl, und sie ließen
eben die Rotoren des Hubschraubers an, als die Dunkelheit rings um
das Loch verschwand. Die Nacht wich zurück, und vor ihnen lag die
leere Straße. Sie sahen, wie die Insassen des grünen Kombi ausstiegen
und staunend ins jähe Tageslicht blinzelten. Hundert Meter weiter
hatte der Basketball den Riß geschlossen und hing nun schwach
vibrierend in der Luft, da der Sog des Strudels noch immer an ihm
zerrte. Binnen Sekunden war der Riß verheilt, und der Basketball
landete mit einem sanften Plopp auf der Straße, sprang noch ein
paarmal auf und rollte schließlich an den Fahrbahnrand. Der Himmel
war klar, und nichts wies darauf hin, daß sich mit der Zeit nicht alles
genauso wie immer verhielt. Nur von dem Datsun, dem
Motorradfahrer und dem
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