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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Sanitäter
    behandelten einen Säugling, der in eine Decke gehüllt auf einer Trage
    lag und schrie.
    Die Beamten waren heilfroh, daß ich da war – der ranghöchste
    Kollege war ein Sergeant, und jetzt konnten sie die Verantwortung auf
    jemand anderen abwälzen. Ein so hohes Tier wie eine SO-5-Agentin
    hatten die meisten von ihnen ihr Lebtag noch nicht mal gesehen .
    Ich borgte mir ein Fernglas und blickte auf das vor uns liegende
    Stück Autobahn. Etwa fünfhundert Meter weiter hatten die Straße und
    der nächtliche Sternenhimmel eine Art Strudel gebildet, einen
    Trichter, der das spärliche Licht, das in den Spiralnebel eindrang,
    zerlegte und verformte. Ich seufzte. Mein Vater hatte mir von
    ZeitVerzerrungen erzählt, aber ich hatte bisher noch nie eine gesehen.
    Im Zentrum des Wirbels, wo sich das gebrochene Licht zu einem
    wirren Muster fügte, befand sich ein pechschwarzes Loch, das weder
    Farbe noch Tiefe zu besitzen schien, nur Form: ein makelloser Kreis
    von der Größe einer Grapefruit. Die Polizei hatte auch den Verkehr
    auf der Gegenfahrbahn gestoppt, und die blinkenden blauen Lichter
    verfärbten sich rot, sobald sie durch die Ränder der schwarzen Masse
    schimmerten, und die dahinterliegende Straße krümmte sich wie durch
    ein Marmeladenglas betrachtet. Vor dem Strudel stand ein blauer
    Datsun, und die Motorhaube wurde immer länger, je näher er der
    ZeitVerzerrung kam. Dahinter stand ein Motorrad und dahinter – und
    uns am nächsten – ein grüner Kombi. Solange ich sie auch anstarrte,
    die Fahrzeuge rührten sich nicht von der Stelle. Der Biker, seine
    Maschine und die Insassen der Autos schienen steif und unbewegt wie
    Statuen.
    »Mist!« stieß ich halblaut hervor und sah auf meine Armbanduhr.
    »Wann hat sich der Wirbel geöffnet?«
    »Vor gut einer Stunde«, sagte der Sergeant. »Ein Wagen des ExcoMat-Labors hatte einen Unfall. Er hätte sich keinen ungünstigeren
    Zeitpunkt aussuchen können; meine Schicht war fast zu Ende.«
    Er zeigte mit dem Daumen auf das Baby, das mit Schreien aufgehört
    und sich die Finger in den Mund geschoben hatte. »Das war der
    Fahrer. Vor dem Unfall war er einunddreißig. Als wir ankamen, war

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    er acht – in ein paar Minuten ist er nur noch ein feuchter Fleck auf der
    Decke.«
    »Haben Sie die ChronoGarde alarmiert?«
    »Ja, sicher«, antwortete er resigniert. »Aber bei Tesco in Wareham
    hat sich ein Zeitloch aufgetan. Die sind frühestens in vier Stunden
    hier.«
    Ich dachte rasch nach. »Wie viele Tote hat es bis jetzt gegeben?«
    »Sir«, fuhr ein Beamter dazwischen und deutete die Straße entlang,
    »schauen Sie sich das an!«
    Tatenlos mußten wir zusehen, wie der blaue Datsun sich verzerrte
    und verformte, bis er schließlich wie eine Papierkugel zerknüllt und in
    den Schlund gezogen wurde. In Sekundenschnelle war er
    verschwunden, auf ein Milliardstel seiner Größe zusammengepreßt
    und ins Anderswo katapultiert.
    Seufzend schob der Sergeant sich die Mütze in den Nacken. Er
    konnte nichts dagegen unternehmen.
    Ich wiederholte meine Frage.
    »Wie viele Tote?«
    »Äh, das waren ein Lastwagen, eine komplette Fahrbücherei, zwölf
    Personenkraftwagen und ein Motorrad. So an die zwanzig, würde ich
    sagen.«
    »Das ist jede Menge Materie. Bis die ChronoGarde hier ist, könnte
    die Verzerrung so groß wie ein Fußballfeld sein.«
    Der Sergeant zuckte die Achseln. Niemand hatte ihm beigebracht,
    wie man mit einer Zeitinstabilität verfuhr. Ich wandte mich an
    Bowden.
    »Kommen Sie.«
    »Was?«
    »Wir haben was zu erledigen.«
    »Sie sind verrückt.«

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    »Schon möglich.«
    »Sollen wir nicht lieber auf die Kollegen der ChronoGarde warten?«
    »Bis die hier sind, ist es längst zu spät. Kommen Sie, es geht ganz
    leicht. Das könnte selbst ein hirnamputierter Affe.«
    »Und wo kriegen wir um diese nachtschlafende Zeit einen
    hirnamputierten Affen her?«
    »Sie sind ein Feigling, Bowden.«
    »Stimmt. Wissen Sie, was passiert, wenn etwas schiefgeht?«
    »Keine Panik. Es ist wirklich das reinste Kinderspiel. Mein Dad war
    bei der ChronoGarde; er hat es mir genau erklärt. Aber dazu brauchen
    wir eine Kugel. In vier Stunden könnte es vor unseren Augen zu einer
    globalen Katastrophe kommen. Zu einem Zeitriß, so groß und tief, daß
    aus dem Hier und Jetzt im Handumdrehen das Irgendwo und
    Irgendwann werden könnte. Der Untergang der Zivilisation, Panik auf
    den Straßen, das Ende unserer Welt. He, Kleiner …!«
    Ich hatte einen Jungen

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