01_Der Fall Jane Eyre
Glöckchen, und von
irgendwoher erschien ein hochgewachsener Mann mit wirrem grauem
Haar und krummem Rücken. Er beäugte uns mißtrauisch über den
Rand seiner Halbbrille hinweg, doch als er mich wiedererkannte, wich
sein Mißtrauen einem Lächeln.
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»Thursday, bach ! « murmelte er und umarmte mich liebevoll. »Was
führt dich hierher? Du bist doch sicher nicht extra nach Abertawe
gekommen, um einen alten Mann zu besuchen, oder?«
»Ich brauche deine Hilfe, Dai«, sagte ich leise. »So dringend wie
noch nie.«
Er hatte vermutlich die Nachrichten verfolgt, denn er verstummte
auf der Stelle. Er nahm einem potentiellen Kunden freundlich einen
frühen Gedichtband von R. S. Thomas aus der Hand und
komplimentierte ihn unter dem Vorwand, der Laden werde gleich
geschlossen, zur Tür hinaus, bevor der Lyrikfreund auch nur daran
denken konnte, sich zu beschweren.
»Das ist Bowden Cable«, erklärte ich, während der Buchhändler
absperrte. »Er ist mein Partner; wenn du mir vertraust, kannst du auch
ihm vertrauen. Bowden, das ist Manuskripte-Jones, mein walisischer
Kontaktmann.«
»Aha!« rief der Buchhändler und schüttelte Bowden herzlich die
Hand. »Thursdays Freunde sind auch meine Freunde. Das ist BücherHaelwyn«, stellte er uns seine schüchtern lächelnde Assistentin vor.
»Nun, meine kleine Thursday, was kann ich für dich tun?«
Ich zögerte. »Wir müssen nach Merthyr Tydfil …«
Der Buchhändler lachte nervös.
»… heute noch«, setzte ich hinzu.
Er hörte auf zu lachen, verschwand hinter dem Ladentisch und
rückte gedankenverloren einen Bücherstapel zurecht.
»Dein Ruf eilt dir voraus, Thursday. Wie man hört, bist du auf der
Suche nach Jane Eyre . Wie man hört, hast du ein gutes Herz – du hast
dem Bösen mutig die Stirn geboten, und du hast überlebt.«
»Und was hört man sonst so?«
»Daß tiefe Finsternis die Täler erfüllt«, fuhr Haelwyn mit
unheilschwangerer Stimme dazwischen.
»Danke, Haelwyn«, sagte Jones. »Der Mann, den du suchst …«
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»… und daß Rhondda seit Wochen unter dunklen Wolken liegt«,
fuhr Haelwyn fort, die offenbar noch nicht fertig war.
»Das reicht, Haelwyn«, befahl Jones. »Hinten liegen noch ein paar
neue Exemplare von Cold Comfort Farm , die nach Llan-dod
verschickt werden müssen, hmm?«
Haelwyn ging mit beleidigter Miene davon.
»Was hältst du davon, wenn …«, begann ich.
»… und die Kühe geben saure Milch!« rief Haelwyn hinter einem
Bücherregal hervor. » Und in Merthyr spielen seit Tagen die
Kompasse verrückt!«
»Beachtet sie gar nicht«, entschuldigte sich Jones. »Sie liest zu viele
Bücher. Aber wie soll ich euch helfen? Ich, ein alter Buchhändler
ohne Verbindungen?«
»Ein alter Buchhändler mit walisischer Staatsbürgerschaft und
Reisefreiheit braucht keine Verbindungen, um zu fahren, wohin er
will.«
»Moment mal, Thursday, bach ; du willst, daß ich euch persönlich
nach Merthyr hineinschmuggeln soll?«
Ich nickte. Jones war meine letzte und einzige Chance. Leider gefiel
ihm mein Plan nicht halb so gut, wie ich gehofft hatte.
»Und warum sollte ich das tun?« fragte er in scharfem Ton. »Weißt
du, was auf so etwas steht? Ich bin ein alter Mann. Soll ich meine
Tage etwa in einer Zelle auf Skokholm beenden? Das ist zuviel
verlangt. Ich bin vielleicht verrückt – aber nicht dumm.«
Ich hatte gewußt, daß er das sagen würde.
»Wenn du uns hilfst«, begann ich und griff in meine Aktentasche,
»gebe ich dir … das .«
Ich legte das Blatt vor ihm auf den Ladentisch; Jones holte tief Luft
und sank mit einem schweren Seufzer auf einen Stuhl. Er brauchte es
sich nicht aus der Nähe anzusehen; er wußte auch so, was er da vor
sich hatte.
»Wo … wo hast du das her?« fragte er mich argwöhnisch.
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»Der englischen Regierung ist die Rückgabe von Jane Eyre sehr
wichtig – so wichtig, daß sie zu einem Tauschhandel bereit ist.«
Er beugte sich vor und betrachtete das Blatt. Dort, in all ihrer Pracht,
lag eine frühe, handschriftliche Fassung von I See the Boys of
Summer , dem ersten Gedicht der Sammlung 18 Poems, die Dylan
Thomas’ literarisches Debüt markierte; Wales hatte schon vor langer
Zeit die Rückgabe verlangt.
»Das gehört nicht einem einzelnen, sondern der ganzen Republik«,
befand der Buchhändler schließlich. »Es ist unser gemeinsames Erbe.«
»Einverstanden«, antwortete ich. »Du kannst mit dem Manuskript
machen, was du
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