Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
tatsächlich erlebten Gefühle.«
    »Ganz Ihrer Meinung. Hier werde ich weder geboren, noch sterbe
    ich. Ich erblicke mit achtunddreißig Jahren das Licht der Welt und
    verlasse sie bald darauf schon wieder, nachdem ich mich zum ersten
    Mal verliebt und dann das Objekt meiner Verehrung sogleich wieder
    eingebüßt habe!«
    Er blieb stehen und hob den Stock auf, den Pilot ihm statt des
    entwischten Kaninchens gebracht hatte.
    »Sie müssen wissen, daß ich mich in Sekundenschnelle an jede
    gewünschte Stelle des Romans und wieder zurück expedieren kann;
    ein gut Teil meines Lebens liegt zwischen dem Augenblick, da ich
    jenem zarten, spitzbübischen Wesen meine aufrichtige Liebe gestehe,
    und dem Moment, wo der törichte Mason und sein Anwalt mir die
    Hochzeit verderben. In diese Wochen kehre ich am häufigsten zurück,
    aber ich besuche auch die schlechten Zeiten – denn ohne einen
    Maßstab ist man geneigt, die Höhepunkte für selbstverständlich zu
    nehmen. Zuweilen spiele ich mit dem Gedanken, die beiden von John
    am Kirchtor abpassen und hinhalten zu lassen, bis die Trauung
    abgeschlossen ist, aber das läßt der Roman leider nicht zu.«
    »Das heißt, während Sie hier stehen und mit mir plaudern …«
    »… begegne ich Jane gleichzeitig zum ersten Mal, umwerbe und
    verliere sie für immer. Ich sehe Sie deutlich vor mir, als kleines Kind,
    mit angsterfüllter Miene angesichts der donnernden Hufe meines
    Pferdes …«
    Er betastete seinen Ellbogen.

    - 350 -
    »Sogar die Schmerzen spüre ich, die mir der Sturz verursacht.
    Wie Sie sehen, hat meine Existenz, obgleich befristet, durchaus ihre
    Vorteile.«
    Ich seufzte. Ach, wenn das Leben doch auch in Wirklichkeit so
    einfach wäre; wenn man sich auf die guten Zeiten beschränken und
    die schlechten einfach überspringen könnte …
    »Gibt es einen Mann, den Sie lieben?« fragte Rochester mit einem
    Mal.
    »Ja; aber unser Verhältnis ist gespannt. Er hat meinen Bruder eines
    tödlichen Irrtums bezichtigt, und ich fand es ungerecht, den Fehler
    einem Toten anzulasten, der sich nicht mehr verteidigen kann. Und
    jetzt fällt es mir schwer, ihm zu vergeben.«
    »Was gibt es denn da zu vergeben?« fragte Rochester. »Setzen Sie
    einen Strich darunter, und konzentrieren Sie sich darauf zu leben . Ihr
    Leben ist kurz; viel zu kurz, um die Zeit mit Bösesein zu vertrödeln
    und auf das Glück zu verzichten, das ohnehin nur von begrenzter
    Dauer ist.«
    »Ach!« entgegnete ich. »Er ist verlobt!«
    »Na und?« spottete Rochester. »Vermutlich mit jemandem, der
    ebensowenig zu ihm paßt wie Blanche Ingram zu mir!«
    Ich dachte an Daisy Mutlar, und es schien da in der Tat einige
    Parallelen zu geben.
    Wir gingen schweigend nebeneinanderher, bis Rochester eine Uhr
    aus seiner Westentasche zog. »Meine Jane kehrt soeben aus Gateshead
    zurück. Wo sind mein Stift und mein Notizbuch?«
    Er kramte in seinen Taschen und förderte einen Bleistift und ein
    gebundenes Zeichenbuch zutage. »Ich soll ihr wie zufällig begegnen;
    sie wird in Kürze hier übers Feld kommen. Wie sehe ich aus?«
    Ich strich seine Krawatte glatt und nickte zufrieden.
    »Finden Sie eigentlich, daß ich gut aussehe, Miss Next?« fragte er
    gänzlich unerwartet.
    »Nein«, sagte ich wahrheitsgemäß.

    - 351 -
    »Pah!« stieß Rochester hervor. »Frauenzimmer! Hinfort, mir aus
    den Augen; wir sprechen uns noch!«
    Ich ließ ihn stehen und ging am See entlang zum Haus zurück, in
    tiefes Nachdenken versunken.
    Und so verstrich Woche um Woche, es wurde langsam wärmer, und
    die Bäume schlugen aus. Ich bekam Rochester und Jane kaum zu
    Gesicht; die beiden hatten nur noch Augen füreinander. Mrs. Fairfax
    gefiel die Liaison gar nicht, und ich mußte sie mehrfach ermahnen.
    Darüber plusterte sie sich auf wie eine alte Henne und gab sich fortan
    verschnupft. Monatelang ging in Thornfield alles seinen gewohnten
    Gang; aus dem Frühling wurde Sommer, und auch am Tag der
    Hochzeit war ich da, auf Rochesters ausdrückliche Bitte in der
    Sakristei versteckt. Ich sah, wie der Pfarrer, ein wohlbeleibter Mann
    namens Wood, die Frage stellte, ob einem der Anwesenden ein
    Hindernis bekannt sei, welches die Eheschließung vor dem Gesetz
    oder vor Gott verbiete. Ich hörte, wie der Anwalt sein schreckliches
    Geheimnis preisgab. Rochester geriet völlig außer sich vor Zorn, als
    Briggs die eidesstattliche Erklärung verlas und erklärte, die
    wahnsinnige Bertha Mason sei Rochesters rechtmäßige Ehefrau.
    Während sie noch

Weitere Kostenlose Bücher