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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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    Empfangszimmer vor.
    Nichts.
    Wir kehrten zur Treppe zurück, wo wir John und Matthew postiert
    hatten, die beide Stein und Bein schworen, daß sie niemanden gesehen
    hätten. Unterdessen war die Nacht hereingebrochen; die Wachtposten
    hatten Fackeln erhalten, deren trüber Schein flackernd die Flure
    erhellte. Treppe und Täfelung des Hauses waren aus dunklem Holz,
    das nur wenig Licht zurückwarf; es war finster wie im Bauch eines
    Wals. Als wir die Treppe erklommen hatten, sahen wir nach rechts
    und links, doch das Haus war stockfinster. Ich verfluchte mich, daß
    ich keine vernünftige Taschenlampe mitgenommen hatte.
    Als habe jemand meine Gedanken erhört, blies mit einem Mal ein
    Windstoß alle Kerzen aus, und vor uns schlug eine Tür. Mir stockte
    das Herz, und Rochester stieß einen derben Fluch aus, als er gegen
    eine Truhe stieß. Rasch zündete ich den Kandelaber wieder an. Im
    warmen Schein starrten wir einander ins Gesicht, und als Rochester
    bemerkte, daß ich ebenso große Furcht empfand wie er, stählte er
    seinen Mut und rief: »Feigling! Zeig dich!«
    Es gab einen lauten Knall, gefolgt von einem grellen,
    orangefarbenen Blitz, als Rochester einen Schuß in Richtung der
    Treppe zum Dachgeschoß abgab.
    »Da! Da läuft er, wie ein Hase; ich glaube, ich habe ihn getroffen!«
    Wir eilten zu der Stelle, fanden jedoch kein Blut, sondern nur die
    schwere Bleikugel, die in der Brüstung steckte.
    »Jetzt haben wir ihn!« jauchzte Rochester. »Von hier oben gibt es
    kein Entkommen, außer über das Dach, und auch keinen Weg nach
    unten, es sei denn er will an den Regenrinnen seinen Hals riskieren!«
    Wir stiegen die Treppe hinauf ins obere Stockwerk. Obgleich die
    Fenster hier etwas größer waren, herrschte unheimliche Dunkelheit.
    Plötzlich erstarrten wir. Mitten auf dem Flur, halb im Schatten, das
    Gesicht von einer einzigen Kerze schwach erhellt, stand Hades. Er
    gehörte nicht zu jenem Typus des Verbrechers, der sich versteckte. Er
    hielt die Kerzenflamme an ein aufgerolltes Stück Papier, bei dem es

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    sich nur um das Wordsworth-Gedicht handeln konnte, in dem meine
    Tante gefangen war.
    »Das Codewort, Thursday, wenn ich bitten darf!«
    »Niemals!«
    Er hielt die Kerze noch näher an das Blatt und verzog die Lippen zu
    einem Lächeln.
    »Das Codewort, bitte!«
    Doch sein Lächeln gerann jäh zu einer schmerzverzerrten Fratze; er
    heulte auf in unmenschlicher Qual, und Kerze und Gedicht fielen zu
    Boden. Als er sich langsam umwandte, sahen wir, woher seine
    Schmerzen rührten. Auf seinem Rücken saß, sich wildentschlossen an
    ihn klammernd, die irre Mrs. Rochester. Sie gackerte wie toll und
    zerrte an einer Schere, die sie Hades zwischen die Schulterblätter
    getrieben hatte. Er schrie erneut auf und sank auf die Knie, während
    seine Kerze einen mit Wachs polierten Sekretär in Brand setzte.
    Gierig leckten die Flammen an dem Möbelstück, und Rochester riß
    einige Vorhänge herab, um sie zu ersticken. Doch Hades stand schon
    wieder, strotzend vor neugewonnener Kraft: Die Schere war
    zurückgezogen worden. Er schlug nach Rochester und streifte ihn am
    Kinn; Edward taumelte und stürzte zu Boden.
    Mit einem manischen Grinsen im Gesicht nahm Acheron eine
    Petroleumlampe vom Buffett und schleuderte sie quer durch den Flur;
    sie explodierte und entzündete einen Wandbehang. Dann wandte er
    sich zu der Irren um, die sich, scheinbar blindlings um sich schlagend,
    auf ihn stürzte. Mit einem geschickten Hieb riß sie Hades das
    zerfledderte Schulheft mit Mycrofts Gebrauchsanweisung aus der
    Tasche, stieß einen infernalischen Triumphschrei aus und lief davon.
    »Geben Sie auf, Hades!« brüllte ich und drückte zweimal ab.
    Acheron schwankte unter der Wucht der Schüsse, hatte sich jedoch
    rasch wieder gefangen und lief Bertha und der Gebrauchsanweisung
    hinterher. Hustend hob ich das kostbare Gedicht auf; unterdessen
    erfüllte dichter Rauch den Flur. Die Gobelins standen in Flammen. Ich
    half Rochester auf die Beine. Wir rannten hinter Hades her, der auf
    seiner Jagd nach der Gebrauchsanweisung und der schwachsinnigen

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    Kreolin weitere Brände gelegt hatte. Wir fanden die beiden in einem
    großen Hinterzimmer.
    Es gab keinen geeigneteren Augenblick, um das Portal zu öffnen;
    das Bett brannte lichterloh, und Hades und Bertha vollführten ein
    wahnsinniges Katz-und-Maus-Spiel. Das Heft umklammernd, schlug
    sie mit der Schere nach ihm, wovor er große Angst zu haben

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