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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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dümmer als das gute alte »Bis Weihnachten ist alles vorbei« und
    hatte unweigerlich entsetzliche Verluste zur Folge.
    Schon vor dem ersten Einsatz dieser neuen Waffe hatte ihre bloße
    Existenz das Gleichgewicht der Kräfte auf der Krim empfindlich
    gestört. Nicht länger an einem Rückzug interessiert, versuchte die
    englische Regierung nun über die Kapitulation aller russischen
    Truppen zu verhandeln. Die Russen wollten davon nichts wissen. Die
    UNO hatte beide Seiten aufgefordert, die Gespräche in Budapest
    wiederaufzunehmen, doch dazu war es zu spät; die KaiserlichRussische Armee hatte sich gegen die erwartete Attacke eingegraben.
    Wenige Stunden zuvor war der Sprecher von Goliath vor das
    Parlament zitiert worden, um die verzögerte Auslieferung der Waffen
    zu begründen, die nun schon seit über einem Monat auf sich warten
    ließ.

    Reifenquietschen riß mich aus meinen Gedanken. Ich blickte auf.
    Mitten im Zimmer stand ein quietschbunter Sportwagen. Ich blinzelte
    zweimal, doch er wollte nicht verschwinden. Ich hatte nicht den
    leisesten Schimmer, warum, geschweige denn wie
    er
    dorthingekommen war, aber da stand er nun, dabei paßte schon mein
    Krankenbett kaum durch die Tür. Ich roch die Auspuffgase und hörte
    den Motor tuckern, fand das sonderbarerweise jedoch nicht weiter
    verwunderlich. Die Insassen starrten mich an. Die Mittdreißigerin am
    Steuer kam mir irgendwie bekannt vor.
    »Thursday!« rief die Fahrerin sichtlich erregt.
    Ich runzelte die Stirn. Alles wirkte vollkommen real, und ich war
    mir hundertprozentig sicher, daß ich die Frau schon einmal irgendwo
    gesehen hatte. Ihr Beifahrer, ein junger Mann im Anzug, winkte
    fröhlich.
    »Er ist nicht tot!« sagte die Fahrerin hastig, so als bliebe ihr nur
    wenig Zeit zum Sprechen. »Der Autounfall war ein Trick! Leute wie
    Acheron sind nicht so leicht totzukriegen! Nimm den LitAg-Job in
    Swindon!«

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    »Swindon?« echote ich. Ich hatte eigentlich gehofft, dieser Stadt ein
    für allemal entkommen zu sein – sie hielt ein paar allzu schmerzliche
    Erinnerungen für mich bereit.
    Ich öffnete den Mund und wollte noch etwas sagen, als von neuem
    Gummi quietschte und der Wagen sich nicht etwa in Luft auflöste,
    sondern sozusagen zusammenklappte, bis von ihm nichts weiter
    zurückblieb als das ferne Echo der Reifen und der schwache Geruch
    von Benzin. Ich stützte den Kopf in die Hände. Die Fahrerin war mir
    sehr bekannt vorgekommen, und ich wußte auch, warum. Sie war
    niemand anderes gewesen als ich selbst.
    Mein Arm war fast verheilt, als das Ergebnis meiner Vernehmung
    durch die Dienstaufsicht bekannt wurde. Ich durfte den Bericht zwar
    nicht lesen, aber das störte mich nicht weiter. Hätte ich gewußt, was
    darin stand, wäre ich wohl nur noch unzufriedener und wütender
    gewesen, als ich es ohnehin schon war. Boswell hatte mich ein
    zweites Mal besucht und mir mitgeteilt, daß man mir sechs Monate
    Genesungsurlaub gewährt habe, bevor ich an meinen alten
    Arbeitsplatz zurückkehren mußte, doch auch das hob meine Laune
    nicht sehr. Ich hatte keine Lust, in Boswells öde Höhle
    zurückzukehren und darauf zu warten, daß Paige Turner vielleicht
    doch noch heiratete.
    »Was hast du jetzt vor?« fragte sie, also ich meine, Paige. Sie war
    gekommen, um mir beim Packen zu helfen, bevor ich aus dem
    Krankenhaus entlassen wurde. »Ein halbes Jahr Urlaub kann einem
    ganz schön lang werden, ohne Hobbys, Familie oder Freund«, fuhr sie
    fort. Sie war bisweilen ziemlich direkt.
    »Ich hab ja jede Menge Hobbys.«
    »Zum Beispiel?«
    »Malen.«
    »Im Ernst?«
    »Ja, im Ernst. Im Augenblick male ich ein Seestück.«
    »Und wie lange arbeitest du schon daran?«
    »Ungefähr sieben Jahre.«

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    »Dann muß es aber sehr, sehr gut sein.«
    »Ganz im Gegenteil.«
    »Scherz beiseite«, sagte Paige. In den letzten Wochen waren wir uns
    nähergekommen als in all den Jahren zuvor. »Was hast du vor?«
    Ich reichte ihr das Amtsblatt von SpecOps-27 mit
    Stellenausschreibungen aus dem ganzen Land. Paige las die Annonce,
    die ich rot umkringelt hatte.
    »Swindon?«
    »Warum nicht? Die alte Heimat.«
    »Mag sein«, entgegnete Paige, »aber komisch ist es schon.« Sie
    tippte auf das Inserat. »Die suchen eine einfache Agentin – du bist seit
    über drei Jahren Inspektor!«
    »Dreieinhalb. Ist mir egal. Ich gehe trotzdem.«
    Den wahren Grund verschwieg ich Paige. Es konnte natürlich Zufall
    sein, doch der Rat der Sportwagenfahrerin war

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