01_Der Fall Jane Eyre
unmißverständlich
gewesen: Nimm den LitAg -Job in Swindon! Vielleicht war es ja doch
eine echte Vision! Das Amtsblatt mit dem Stellenangebot war
schließlich erst danach erschienen. Und wenn das mit dem Job in
Swindon stimmte, war vermutlich auch Hades noch am Leben.
Ich hatte mich ohne nachzudenken um den Posten beworben, aber
ich konnte Paige beim besten Willen nichts von dem Sportwagen
erzählen; sie hätte mich, trotz unserer Freundschaft, bei Boswell
angeschwärzt. Boswell hätte mit Flanker gesprochen, was allerlei
Unannehmlichkeiten nach sich ziehen konnte. Ich entwickelte mich
langsam, aber sicher zu einer wahren Meisterin in der Kunst, mit der
Wahrheit hinterm Berg zu halten, und dabei ging es mir so gut wie
schon seit Monaten nicht mehr.
»Du wirst den Kollegen fehlen, Thursday.«
»Das geht vorbei.«
»Du wirst mir fehlen.«
»Danke, Paige, sehr nett von dir. Du wirst mir auch fehlen.«
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Wir umarmten uns, sie sagte, ich solle von mir hören lassen, und
ging; ihr Piepser hatte sich gemeldet.
Nachdem ich fertig gepackt hatte, dankte ich den Schwestern, die
mir zum Abschied einen in braunes Packpapier geschlagenen Karton
überreichten.
»Was ist das?« fragte ich.
»Es gehörte Ihrem Lebensretter.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Bevor der Krankenwagen eintraf, hat sich ein Passant um Sie
gekümmert; die Wunde in ihrem Arm war verbunden, und er hat Sie
in seine Jacke gehüllt, um Sie warmzuhalten. Ohne sein Eingreifen
wären Sie wahrscheinlich verblutet.«
Gespannt öffnete ich das Paket. Da war zunächst ein Taschentuch,
das trotz mehrerer Waschgänge immer noch mit meinem Blut befleckt
war. In einer Ecke prangte ein aufgesticktes Monogramm: EFR.
Außerdem enthielt der Karton eine Jacke, eine Art Gehrock, wie er
Mitte des letzten Jahrhunderts in Mode gewesen sein mochte. Ich
durchsuchte die Taschen und fand die Rechnung eines
Herrenschneiders. Sie stammte aus dem Jahre 1833 und lautete auf
einen gewissen Edward Fairfax Rochester, Esq.
Bleischwer sank ich aufs Bett und starrte auf diese Fundstücke.
Normalerweise wäre ich nicht im Traum darauf gekommen, daß
Rochester in jener Nacht Jane Eyre entstiegen sein könnte, um mir zu
helfen; so etwas war schließlich völlig unmöglich. Ich hätte das Ganze
vermutlich als albernen Scherz abgetan, wenn, ja, wenn Edward
Rochester und ich uns nicht schon einmal begegnet wären …
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6.
Jane Eyre: Ein kleiner Ausflug in
den Roman
Als wir vor der Wohnung von Styx zusammentrafen, war
dies weder die erste noch die letzte Begegnung zwischen
Rochester und mir. Das erste Mal liefen wir uns in
Haworth House in Yorkshire über den Weg, als ich noch
jung und aufgeschlossen war und die Grenze zwischen
Wirklichkeit und Phantasie sich noch nicht zu dem
Panzer verhärtet hatte, der uns als Erwachsene umgibt.
Damals war die Grenze biegsam, weich, und dank der
Hilfsbereitschaft einer Fremden und dem Zauber ihrer
Stimme machte ich die kleine Reise – hin und zurück.
THURSDAY NEXT
- Ein Leben für SpecOps
Es war 1958. Mein Onkel und meine Tante – die mir damals schon
uralt vorkamen – waren mit mir nach Haworth House, der alten
Brontë-Villa, gefahren. In der Schule hatten wir William Thackeray
gelesen, und da er ein Zeitgenosse der Brontë-Schwestern war, schien
dies eine willkommene Gelegenheit, mein Interesse an dieser Epoche
zu vertiefen. Mein Onkel Mycroft hielt an der Bradford University
Vorlesungen über seine Spieltheorie, was den praktischen Vorteil
hatte, daß ich beim »Mensch, ärgere dich nicht« fast immer gewann.
Da es von Bradford nach Haworth nicht allzu weit war, beschlossen
wir, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.
Die Museumsführerin, eine dickliche Frau um die sechzig mit
Nickelbrille und Angorastrickjacke, lotste die Besucher mürrisch
durch die Räume, weil ohnehin niemand soviel Ahnung hatte wie sie
und sie sich nun dazu herablassen mußte, die Leute aus ihrer
selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszuführen. Gegen Ende des
Rundgangs, als die Gedanken längst bei Ansichtskarten und Eiscreme
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waren, erwartete das Glanzstück der Sammlung, das
Originalmanuskript von Jane Eyre , die müden Museumsbesucher.
Obwohl die mit verblaßter schwarzer Tinte bedeckten Seiten längst
vergilbt waren, vermochte das geübte Auge die feine, krakelige
Handschrift, die sich über das Papier zog, durchaus zu entziffern. Alle
zwei Tage wurde eine Seite
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