01_Der Fall Jane Eyre
Wohnzimmer, das noch immer vor schauderhaften
Braun-und Grüntönen starrte und aussah wie ein Teppich-und
Vorhangmuseum. Das Foto von meiner Abschlußparade an der
Polizeischule stand auf dem Kaminsims, daneben eines von Anton
und mir, lächelnd, in Kampfanzügen, unter der erbarmungslosen
Sommersonne der Krim. Auf dem Sofa saß ein altes Pärchen und sah
fern.
»Polly!… Mycroft!… Schaut mal, wer da ist!«
Meine Tante war höflich und stand zur Begrüßung auf, während
mein Onkel sich mehr für das Fernsehquiz Name that Fruit
interessierte. Er lachte schnaubend über einen schlechten Witz und
winkte in meine Richtung, ohne aufzublicken.
»Hallo, Thursday, Schätzchen «, sagte Tante Polly. »Vorsicht, mein
Make-up.«
Wir hielten die Wangen aneinander und machten laut mmuuah .
Mein Tante roch stark nach Lavendel und hatte so viel Make-up
aufgelegt, daß selbst die gute alte Queen Bess entsetzt gewesen wäre.
»Wie geht’s, Tantchen?«
»Könnte nicht besser sein.« Sie versetzte ihrem Mann einen
schmerzhaften Tritt an den Knöchel. »Mycroft, deine Nichte ist da.«
»Hallo, Kleine«, sagte er, ohne mich eines Blickes zu würdigen, und
rieb sich den Fuß. Polly senkte die Stimme.
»Es ist schrecklich. Entweder sitzt er vor dem Fernseher oder bastelt
in seiner Werkstatt. Manchmal habe ich das Gefühl, da drin herrscht
gähnende Leere.«
Sie starrte einen Augenblick auf seinen Hinterkopf und wandte sich
dann wieder mir zu.
»Bleibst du länger?«
»Thursday hat sich hierher versetzen lassen, nach Swindon.«
»Hast du abgenommen?«
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»Ich treibe Sport.«
»Hast du einen Freund?«
»Nein«, antwortete ich. Die nächste Frage galt todsicher Landen.
»Hast du Landen angerufen?«
»Nein. Und du rufst ihn bitte auch nicht an.«
»So ein netter junger Mann. Der Toad hat sein letztes Buch in den
höchsten Tönen gelobt: Der letzte Schurke. Hast du es gelesen?«
Ich gab keine Antwort.
»Gibt’s was Neues von Vater?« fragte ich.
»Daß ich das Schlafzimmer mauve gestrichen habe, hat ihm gar
nicht gefallen«, sagte meine Mutter. »Wie bist du bloß darauf
gekommen?«
Tante Polly winkte mich näher heran und zischte mir so laut, daß es
jeder hören konnte, ins Ohr: »Du mußt deine Mutter entschuldigen;
sie denkt, dein Vater hätte was mit einer anderen Frau!«
Mutter entschuldigte sich und stürzte unter einem fadenscheinigen
Vorwand aus dem Zimmer.
Ich runzelte die Stirn. »Was denn für eine Frau?«
»Er hat sie bei der Arbeit kennengelernt – Lady Emma Soundso.«
Ich rief mir mein letztes Gespräch mit Dad ins Gedächtnis, die
Geschichte mit Nelson, dem Duke of Wellington und den
französischen Revisionisten.
»Meinst du Emma Hamilton?«
Meine Mutter steckte den Kopf zur Tür herein. »Du kennst sie?«
fragte sie alarmiert und beleidigt.
»Nicht persönlich. Soviel ich weiß, ist sie Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts gestorben.«
Meine Mutter kniff die Augen zusammen. »Alter Trick.«
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Sie nahm sich zusammen und brachte tatsächlich ein Lächeln
zustande. »Bleibst du zum Essen?«
Ich bejahte, und sie machte sich auf die Suche nach einem
Hühnchen, das sie zerkochen konnte; ihr Zorn auf meinen Vater
schien vorerst vergessen. Das Fernsehquiz war zu Ende, und Mycroft
kam in einer grauen Strickjacke mit Reißverschluß und dem New
Splicer unterm Arm in die Küche gewatschelt.
»Was gibt’s zu Abend?« fragte er und stand im Weg herum. Tante
Polly sah ihn an, als sei er ein verzogenes Kind.
»Mycroft, was hältst du davon, wenn du, statt hier herumzulaufen
und deine Zeit zu verschwenden, zur Abwechslung Thursdays Zeit
verschwendest und ihr zeigst, was du in deiner Werkstatt treibst?«
Mycroft blickte uns ausdruckslos an. Dann winkte er mich
achselzuckend zur Hintertür, vertauschte seine Hausschuhe mit einem
Paar Gummistiefel und die Strickjacke mit einer wirklich
grauenhaften karierten Joppe.
»Dann komm mal mit, mein Mädchen«, brummte er, verscheuchte
die Dodos von der Hintertür, wo sie sich in Erwartung eines
Leckerbissens versammelt hatten, und stapfte zu seiner Werkstatt.
»Du könntest das Gartentor mal reparieren, Onkel – so schlimm war
es noch nie.«
»Im Gegenteil«, antwortete er mit einem Augenzwinkern. »Immer
wenn es jemand auf-oder zumacht, erzeugt er dabei so viel Energie,
daß ich davon eine Stunde fernsehen kann. Ich habe dich in letzter
Zeit nicht viel gesehen. Warst du verreist?«
Ȁh, ja; zehn
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