01_Der Fall Jane Eyre
er die Stücke
tatsächlich geschrieben hat. Zwar sind ein paar an Shakespeare
erinnernde Gedichtzeilen überliefert, aber ein schlüssiger Beweis ist
das natürlich nicht; gleiches gilt im übrigen für den
speerschwingenden Löwen auf dem Oxforder Wappen.«
»Und er ist 1604 gestorben«, sagte ich.
»Das kommt erschwerend hinzu. Die Strohmann-Theorien hauen
einfach nicht hin. Wenn Sie mich fragen, war Shakespeare mit
Sicherheit alles andere als ein Adliger, der unbedingt anonym bleiben
wollte. Wenn die Stücke wirklich nicht von ihm stammen, würde ich
einen anderen elisabethanischen Bürgerlichen ins Visier nehmen,
einen Mann von bemerkenswertem Verstand, der nicht nur Kühnheit,
sondern auch Charisma besaß.«
»Kit Marlowe?« fragte ich.
»Sie haben es erfaßt.«
An dieser Stelle knallte Victor den Hörer seines Telefons auf die
Gabel und rief uns zu sich ans andere Ende des Büros.
»Das war Schitt; Hades hat sich gemeldet. Wir sollen in einer halben
Stunde in Hicks’ Büro sein.«
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23.
Die Übergabe
Ich hatte noch nie einen Koffer mit 10 Millionen Pfund in
der Hand gehabt. Und das hatte ich auch damals nicht.
Denn in seiner ungeheuren Arroganz war Jack Schitt
davon ausgegangen, daß er Hades würde festnehmen
können, ehe der überhaupt dazu kam, einen Blick auf das
Geld zu werfen. Was für ein Trottel! Die Farbe des
Gainsborough war noch nicht trocken, und die English
Shakespeare Company spielte nicht mit. Die einzige
erfüllte Forderung Acherons war die Umbenennung der
Autobahnraststätte. Kingston St. Michael hieß ab sofort
Leigh Delamare.
THURSDAY NEXT
- Ein Leben für SpecOps
Braxton Hicks setzte uns den Plan in groben Zügen auseinander –
noch eine Stunde bis zur Übergabe. Auf diese Weise wollte Jack
Schitt von vornherein verhindern, daß wir eigene Pläne verfolgten.
Dies war in jeder Hinsicht eine Goliath-Operation – Victor, Bowden
und ich sollten der Sache lediglich die nötige Glaubwürdigkeit
verleihen, nur für den Fall, daß uns Hades beobachtete. Die Übergabe
sollte bei einer alten Eisenbahnbrücke stattfinden. Die einzigen
Zufahrtswege waren zwei Straßen sowie die stillgelegte Bahnstrecke,
die sich jedoch nur mit einem Geländewagen befahren ließ. GoliathLeute sollten beide Straßen und die Trasse kontrollieren. Sie hatten
den Befehl, Hades zwar herein-, aber nicht wieder hinauszulassen.
Eigentlich ganz einfach – zumindestens theoretisch.
Die Fahrt zu der stillgelegten Bahnstrecke verlief ohne
Zwischenfälle, obwohl der gefälschte Gainsborough in dem kleinen
Porsche mehr Platz wegnahm, als ich gedacht hätte. Schitts Leute
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waren gut getarnt; auf dem Weg zu der einsam in der Landschaft
liegenden Brücke begegneten Bowden und ich keiner Menschenseele.
Obwohl die Brücke schon seit langem außer Betrieb war, befand sie
sich in ziemlich gutem Zustand. Ich parkte den Wagen etwa zwanzig
Meter entfernt und ging das letzte Stück des Weges zu Fuß. Es war ein
schöner Tag, und kaum ein Laut war zu hören. Ich kletterte die
Böschung hinauf, sah jedoch nichts von Belang, nur das breite
Schotterbett, leicht aufgewühlt, wo man die Schwellen herausgerissen
hatte. Zwischen den Steinen wucherte Unkraut, und neben dem Gleis
stand ein altes Stellwerk, wo ich die obere Hälfte eines Periskops zu
erkennen glaubte, durch das mich jemand zu beobachten schien. Ich
nahm an, es handele sich um einen von Schitts Leuten, und warf einen
Blick auf meine Armbanduhr. Es war soweit.
Das gedämpfte Piepen eines Funkgeräts ließ mich aufhorchen. Ich
legte den Kopf schief und versuchte es zu orten.
»Ich höre ein Funkgerät piepen«, sprach ich in mein Walkie-talkie.
»Keins von unseren«, kam Schitts Antwort aus der Einsatzzentrale
in einem verlassenen Farmhaus eine Viertelmeile entfernt.
Das Funkgerät steckte in einer Plastiktüte und hing halb versteckt in
den Zweigen einer kleinen Birke am Rande des Bahndamms. Es war
Hades, und die Verbindung war schlecht – es klang, als säße er in
einem Auto.
»Thursday?«
»Hier.«
»Allein?«
»Ja.«
»Wie geht’s dir? Es tut mir leid, aber mir blieb leider nichts anderes
übrig. Du weißt ja, wie verzweifelt wir Psychopathen manchmal
sind.«
»Wie geht es meinem Onkel?«
»Bestens, meine Liebe. Er fühlt sich pudelwohl; ein wahrer
Geistesriese, aber leiderleider etwas zerstreut. Mit seinem Verstand
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und meiner Energie könnte ich die Welt regieren, statt mich
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