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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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mit
    banalen Kleinigkeiten wie Erpressung abgeben zu müssen.«
    »Es zwingt Sie niemand«, sagte ich. Hades ignorierte meinen
    Einwurf und fuhr fort:
    »Spiel nicht die Heldin, Thursday. Wie du dir sicherlich denken
    kannst, befindet sich das Chuzzlewit- Manuskript in meinem Besitz,
    und ich schrecke nicht davor zurück, es zu zerstören.«
    »Wo sind Sie?«
    »Na, na, Thursday, was meinst du, mit wem du es zu tun hast? Über
    die Freilassung deines Onkels unterhalten wir uns, sobald ich mein
    Geld habe. Auf der Brüstung in der Mitte der Brücke findest du einen
    Karabinerhaken an einem Stück Draht. Stell das Geld und den
    Gainsborough auf die Brüstung und mach beides daran fest. Wenn du
    soweit bist, komme ich die Sachen holen. Bis zum nächsten Mal, Miss
    Thursday Next!«

    Ich gab der Einsatzzentrale durch, was er gesagt hatte. Sie befahlen
    mir, die Anweisungen genau zu befolgen.
    Also stellte ich die Tasche mit dem Geld und den Gainsborough auf
    die Brüstung und machte beides an dem Karabinerhaken fest. Dann
    ging ich zum Wagen zurück, setzte mich auf die Motorhaube und ließ
    Hades’ Beute nicht aus den Augen. Sowohl die Tasche als auch das
    Gemälde waren von unten ausgezeichnet zu sehen. Erst vergingen
    zehn Minuten, dann eine halbe Stunde. Ich fragte Victor; er riet mir,
    mich nicht von der Stelle zu rühren.
    Die Sonne wurde heißer, und die Fliegen summten fröhlich um die
    Hecken. Ich roch den schwachen Duft von frischgemähtem Heu und
    hörte in der Ferne das leise Brummen des Verkehrs. Es sah so aus, als
    wolle Acheron uns auf die Probe stellen, was bei so heiklen Aktionen
    wie Lösegeldübergaben durchaus nicht ungewöhnlich war. Bei der
    Entführung des Staatsdichters Nr. 1 vor fünf Jahren hatte das Lösegeld
    erst beim neunten Versuch übergeben werden können. Schließlich war
    der SD1 unversehrt wieder aufgetaucht; wie sich herausstellte, hatte er

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    die ganze Sache selbst inszeniert, um den schleppenden Absatz seiner
    Autobiographie anzukurbeln.
    Ich begann mich zu langweilen und kletterte, Schitts Befehl
    mißachtend, erneut auf die Brücke. Ich untersuchte den
    Karabinerhaken und entdeckte ein dünnes, hochfestes Drahtseil. Als
    ich vorsichtig daran zog, stellte ich fest, daß es an einem elastischen
    Bungeeseil befestigt war, das wie eine Schlange im trockenen Gras
    lag. Gespannt verfolgte ich das Bungee bis zu einem weiteren dünnen
    Drahtseil, das mit Isolierband etwa drei Meter über meinem Kopf
    zwischen zwei Telegrafenmasten gespannt war.
    Ich runzelte die Stirn, als ich das tiefe Grollen eines Motors hörte,
    und fuhr unwillkürlich herum. Obwohl ich nichts sehen konnte, kam
    das Motorengeräusch eindeutig auf mich zu, und zwar ziemlich
    schnell. Ich blickte das Schotterbett der alten Bahntrasse entlang, wo
    ich einen Geländewagen vermutete, aber es war nichts zu sehen. Der
    nahende Motorenlärm wurde immer lauter, bis plötzlich hinter einer
    Hecke ein Leichtflugzeug auftauchte, das sich offenbar im Tiefflug
    genähert hatte, um nicht entdeckt zu werden.
    »Ein Flugzeug!« schrie ich in mein Walkie-talkie. »Die haben ein
    Flugzeug!«
    Da fielen auch schon die ersten Schüsse. Es war unmöglich
    auszumachen, wer das Feuer eröffnete oder woher es kam, doch im
    Nu zerfetzte das trockene, ungezielte Knattern von Handfeuerwaffen
    und Gewehren die ländliche Stille. Ich ging instinktiv in Deckung;
    mehrere Kugeln trafen die Brüstung, und roter Ziegelstaub regnete auf
    mich herab. Ich zog meine Automatik und entsicherte sie, als das
    Flugzeug über die Brücke flog. Es war ein Aufklärungshochdecker
    derselben Bauart, die auf der Krim feindliche Artilleriestellungen
    ausspähten; die Seitentür war ausgehängt, und in der Öffnung, mit
    einem Fuß auf der Flügelstrebe, saß Acheron. Er hatte ein leichtes
    Maschinengewehr im Anschlag und ballerte damit munter auf alles,
    was sich bewegte. Er durchlöcherte das verfallene Stellwerk, und der
    Goliath-Mann erwiderte das Feuer ebenso heftig; die Kugeln rissen
    erste Löcher in die Bespannung der Maschine. Hinter ihr schwang ein
    Haken im Flugwind. Als sie über mich hinwegflog, verfing sich der
    Haken in dem zwischen den Masten gespannten Drahtseil und riß

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    Geldtasche und Gainsborough mit sich, wobei das Bungee
    offensichtlich den Ruck mildern sollte.
    Ich sprang auf und feuerte auf die davonfliegende Maschine, doch
    die drehte steil ab und verschwand hinter dem Bahndamm; Geldtasche
    und Gainsborough baumelten

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