01 - Der Geist, der mich liebte
schlank. Statt einer weißen Rüstung trug er Jeans und einen eng anliegenden anthrazitfarbenen Rollkragenpulli. Obwohl er in dem Wollteil unglaublich schwitzen musste, sah ich keine einzige Schweißperle auf seiner Stirn. Meine Güte, der Kerl war perfekt!
»Passen Sie auf, Miss, nicht dass Sie sich ein Bein brechen! Die Krankenwagen brauchen in dieser Gegend ewig«, sagte er mit einem Lächeln, das für eine Zahnpastareklame wie geschaffen war. Seine Augen richteten sich auf meinen Wagen. »Panne?«
»Dümmer. Kein Benzin mehr.«
»Minneapolis«, bemerkte er nach einem Blick auf mein Nummernschild. »Sind Sie auf der Durchreise?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin für ein paar Wochen hier.«
»Das erste Mal aus der Stadt raus?« Ich nickte. Da sagte er: »Regel Nummer eins: immer einen Reservekanister dabeihaben. Die Tankstellen sind hier nicht so dicht gesät wie in der Zivilisation.«
»Und was ist Regel Nummer zwei?«
»Die verrate ich Ihnen, wenn Sie mir Ihren Namen sagen.« Sein Grinsen war so unwiderstehlich, dass ich gar nicht anders konnte. »Sam Mitchell, also«, wiederholte er, dann streckte er mir die Hand entgegen. »Ich bin Adrian Crowley. Genau genommen Adrian Crowley junior, aber das vergessen Sie besser gleich wieder. Freut mich sehr.«
Sein Händedruck war fest und warm. »Wie lautet nun Regel Nummer zwei?«, hakte ich nach.
»Sag ich Ihnen, sobald ich mir eine ausgedacht habe.« Er lachte. »Wohin wollten Sie denn?«
»In die Maple Street.«
»Das liegt fast auf meinem Weg. Was halten Sie davon, wenn ich Sie mitnehme?«
Eigentlich wollte ich in den Ort zurück. Aber ich konnte ihn schlecht zwingen, umzudrehen und mich durch die Gegend zu kutschieren. Als hätte er erraten, was ich dachte, fügte er hinzu: »Ich würde Sie gerne zur Tankstelle fahren, aber ich bin ein wenig in Eile.«
»Kein Problem. Wenn ich es schaffe, all das Zeug zum ' Haus zu bringen, ehe es auftaut, wäre mir schon sehr geholfen.« Ich würde später Tess anrufen und sie bitten, mich zuerst zur Tankstelle und dann zum Käfer zu fahren. Hauptsache, ich kam erst mal mit all dem Plunder zu Tante Fionas Haus.
»Dann lassen Sie uns mal umladen.« Ehe ich michs versah, öffnete Adrian meinen Kofferraum. »Sind Sie sicher, dass Sie nur ein paar Wochen bleiben wollen?«, fragte er mit Blick auf meine Einkäufe.
»Ganz sicher«, nickte ich grinsend. »Vor allem, da ich außer Regel Nummer eins keine weiteren kenne. Ist mir einfach zu gefährlich, ohne Gebrauchsanweisung hierzubleiben.«
Adrian lachte. »Wenn ich mir all das Zeug ansehe, hätte ich schwören können, Sie wollten erst ein Haus bauen und dann darin ein Restaurant eröffnen.«
Während er sich daranmachte, die Tüten aus dem Kofferraum in den Jeep zu verladen, räumte ich den Rücksitz frei. »Mit dem Restaurant liegen Sie falsch. Das ist alles für mich.«
»Aber ein Haus wollen Sie tatsächlich bauen, oder nicht?« Adrian wuchtete eine weitere Ladung Tüten aus dem Kofferraum und lud sie um. Ich trug einen Eimer Farbe und die Bücher zu seinem Jeep. Während ich inzwischen reichlich ins Schwitzen gekommen war, zeigte sich auf seiner Stirn noch nicht einmal ein leichter Glanz. Er nahm mir den Eimer ab und stellte ihn in den Wagen. »Heimwerken für Profis« las er den Titel des obersten Buches. »Sie machen mich neugierig, Sam. Sagten Sie nicht, Sie wären nur für ein paar Wochen hier? Was wollen Sie mit all dem Kram?«
»Renovieren.«
Adrian hatte die letzten Tüten verladen und warf den Kofferraumdeckel meines Käfers zu, dann wandte er sich zu mir um. »Maple Street sagten Sie, oder? Dort gibt es doch nur ein einziges Haus, gleich hinter der Kirche.«
Ich nickte. »Ich will es renovieren und verkaufen.«
»Mitchell«, wiederholte er meinen Namen. Er klang plötzlich so aufgeregt, als hätte er gerade den Heiligen Gral oder etwas Ähnliches gefunden. »Natürlich! Sie sind mit Fiona verwandt, nicht wahr?«
»Sie war meine Tante.«
»Tut mir. leid.« Adrian öffnete mir die Beifahrertür und ließ mich einsteigen. »Sie war eine nette Frau. Umso mehr freut es mich, ihre Nichte kennenzulernen.«
Jeder hatte Tante Fiona nett gefunden. Da kam mir eine andere Idee. Adrians Alter könnte passen. »War sie Ihre Lehrerin?«
Adrian setzte sich hinters Steuer und ließ den Motor an. »Nein.«
»Andere Klasse?«
»Andere Schule.«
Ich betrachtete ihn stirnrunzelnd. »Hier gibt es mehr als eine Schule?«
»Meine Eltern haben sich getrennt, als ich
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