01 - Der Geist, der mich liebte
verschloss zunächst den leeren Kanister und dann den Tankdeckel. »Ich habe nicht ganz uneigennützig gehandelt, wie ich gestehen muss.«
»Ach ja?«
»Hm.« Er nickte und trommelte mit den Fingern leicht gegen den Kanister. Fast schon hatte ich den Eindruck, er sei ein wenig nervös. »Sie haben mir gestern einen Korb gegeben. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Das Benzin war der beste Grund, Sie wiederzusehen.«
»Ich verstehe. Vom Ehrgeiz zerfressen.«
»Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können.« Er sah mir in die Augen. »Wissen Sie, ich finde, dass Sie jetzt in meiner Schuld stehen. Mit einem Essen ließe sich das sicher wiedergutmachen. Ich lade Sie ein.«
»Moment!«, lachte ich. »Ich stehe in Ihrer Schuld und Sie wollen das Essen zahlen? Sind Sie sicher, dass Sie in
Buchführung aufgepasst haben? Soll und Haben, ausgeglichene Konten. Klingelt da was?«
Da lachte auch er. »Buchführung konnte ich noch nie leiden.«
»Ich auch nicht.«
»Heißt das, Sie gehen mit mir essen?« Er schien mein Zögern zu bemerken, denn augenblicklich fügte er hinzu: »Wenn Sie Angst haben, es als eine Verabredung zu betrachten, würde ich mich auch mit einem Mittagessen zufriedengeben. Was halten Sie davon?« »Unter einer Bedingung.« »Welche?« »Ich zahle.«
Er dachte kurz nach, dann nickte er ernst. »Aber bilden Sie sich nicht ein, dass ich Sie jedes Mai zahlen lasse.« »Jedes Mal«, wiederholte ich trocken. »Natürlich. So ein alter Käfer schluckt eben eine Menge Benzin. Wenn Sie sich überwinden könnten, weiterhin das Tanken zu vergessen, verspreche ich, dass ich mindestens dreimal täglich die Straße entlangfahren und nach Ihnen Ausschau halten werde. Und jedes Mal, wenn ich Sie wieder gerettet habe, müssen Sie mit mir essen gehen.«
Ich musste schon wieder lachen. »Ihr Job scheint Sie ja unglaublich zu fordern.«
»Meine Arbeit besteht eben nicht nur aus einem schnöden Bürojob«, erwiderte er grinsend. »Als künftiger Firmenboss habe ich auch soziale Verpflichtungen, denen ich natürlich nachkommen muss. Wohltätigkeitsprojekte und dergleichen.«
»Ich frage jetzt lieber nicht, ob ich ein Wohltätigkeitsprojekt bin oder unter die Rubrik dergleichen« falle.«
»Vielleicht unter außerordentliche Vorkommnisse«?«, schlug er vor. »Fahren Sie mir hinterher, zurück zur Main Street. Der Italiener dort ist wirklich gut.«
Ohne mir Gelegenheit zur Antwort zu geben, stieg Adrian in seinen Wagen und startete den Motor. Vielleicht hatte er Angst, ich könnte es mir doch noch einmal anders überlegen. Da ich das nicht vorhatte, setzte ich mich hinters Steuer, wendete den Käfer und folgte ihm in den Ort zurück.
Anfangs hatte ich tatsächlich daran gedacht, ihn erneut zu vertrösten. Nicht weil ich nicht mit ihm ausgehen wollte. Im Gegenteil: Ich mochte Adrian und fühlte mich in seiner Gesellschaft wohl. Aber in Tante Fionas Haus wartete schrecklich viel Arbeit auf mich. Wenn ich weiterhin jeden Mittag aus dem Haus ging, würde ich nie mit der Renovierung fertig werden. Andererseits war ich gerade mal zwei Tage hier. Ich hatte also noch viel Zeit vor mir, um alles zu erledigen.
Wie schon gestern war es auch jetzt kein Problem, einen Parkplatz zu finden. Als ich meinen Wagen am Straßenrand abstellte und ausstieg, fiel mein Blick auf das Herrenhaus auf dem Hügel. Adrians Haus. Hatte Mr Henderson nicht gesagt, dieses Haus sei unheimlich? Ich nahm mir vor, Adrian danach zu fragen. Jetzt folgte ich ihm erst einmal zu Luigi, dem kleinen Italiener mit den rot-weiß karierten Vorhängen. Innen war das Lokal mit dunklen Holzmöbeln ausgestattet, die ein etwas abgenutztes, aber trotzdem noch
halbwegs mediterranes Flair verströmten. Der Geruch von Pizza lag in der Luft. Zu meinem Erstaunen war der Laden fast voll. Es gelang uns gerade noch, einen kleinen Tisch zu ergattern. Adrian nahm seine Baseballmütze ab und warf sie auf den freien Stuhl neben sich.
Die Speisekarte ignorierte er. Vermutlich war er schon oft genug hier gewesen, um sie auswendig zu kennen. Ich selbst verschwendete ebenfalls keinen Blick darauf. Wann immer ich bei einem neuen Italiener bin, bestelle ich Lasagne. Das ist mein Vergleichsgericht, anhand dessen ich von mir behaupte, erkennen zu können, ob die Küche etwas taugt.
Wir gaben unsere Bestellung bei einem langhaarigen Kellner auf und mussten nicht lange warten, bis er uns die Getränke brachte. Zwei Colas in dunkelroten Kunststoffbechern. Adrian hielt
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