01 - Der Geist, der mich liebte
seinen in die Höhe. »Auf leere Tanks und nette Begegnungen.«
Ich prostete ihm mit meinem Becher zu. »Und auf Retter in der Not.«
Nachdem ich getrunken hatte, stellte ich meinen Becher auf den Tisch zurück. Für einen Moment fuhr ich mit dem Finger den Rand entlang. Seit ich vorhin das Haus gesehen hatte, ging es mir nicht mehr aus dem Kopf.
Ich blickte Adrian an. »Sie haben gestern gesagt, dass Sie auf dem Hügel wohnen«, begann ich und entschied mich mit der Tür ins Haus zu fallen. »Ist es dort nicht sehr unheimlich? Ich meine, das einzige, obendrein alte Haus weit und breit, inmitten eines schattigen Baumbestandes.« Was redete ich da? Er hatte sicher keinen Friedhof in seinem Garten!
Adrian runzelte die Stirn. »Warum sollte es unheimlich sein?«
»Na ja, ich ... also mir ist gestern ein Mann auf dem Friedhof begegnet. Wir haben darüber gesprochen, dass ich es ein wenig gruselig finde, gleich hinter einem Friedhof zu wohnen. Da meinte er, das Haus auf dem Hügel sei viel gruseliger.«
»Aha. Und jetzt spielen wir: >Mein Haus ist gruseliger als Ihres«?«
»So ähnlich. Ja. Ist Ihr Haus das denn? Gruselig, meine ich.«
Er schüttelte den Kopf. »Kein bisschen. Obwohl natürlich schon Geschichten darüber im Umlauf sind. Aber ich nehme an, dass das für Häuser dieser Art einfach üblich ist.«
Jetzt, da es spannend wurde, brachte der Kellner unser Essen. Zum Glück stellte er uns nur die Teller vor die Nase und verschwand sofort wieder.
»Welche Geschichten?«, hakte ich nach, während ich mit der Gabel Löcher in meine Lasagne stach, damit sie schneller abkühlte.
»Offensichtlich haben Sie vor, mein Haus zu einem Spukhaus zu erklären. Na gut. Aber ich weiß nicht allzu viel darüber, also seien Sie nicht enttäuscht.« Er machte eine ernste Miene und beugte sich über den Tisch hinweg, näher zu mir. »Angeblich haben im siebzehnten Jahrhundert zwei Hexen darin gewohnt«, begann er in verschwörerischem Tonfall und hatte sichtlich Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Während er meine Reaktion beobachtete -
und ich strengte mich wirklich an, ungerührt dreinzublicken -, säbelte er ein Stück Pizza ab und schob es sich genüsslich in den Mund. Ich platzte beinahe vor Neugier, doch Adrian nahm sich die Zeit, gründlich zu kauen. Ganz wie die Ärzte es immer empfehlen. Endlich sagte er: «Die Dorfbevölkerung - schwer zu glauben, aber damals war Cedars Creek wohl noch viel kleiner - hat es mitsamt den Hexen niedergebrannt. Dort oben gab es beinahe zweihundertfünfzig Jahre nichts weiter als die alten steinernen Fundamente. Bis mein Urgroßvater kam, um ein neues Haus darauf zu errichten.«
Augenblicklich schlug mein Wissen aus den unzähligen Horrorfilmen durch. »Bringt das nicht Unglück, auf einem zerstörten Fundament zu bauen?«
»Sam, Sie glauben das doch nicht wirklich, oder? Zugegeben, die Geschichte klingt unheimlich, aber mit dem Haus ist alles in Ordnung. Ich bin dort aufgewachsen und jetzt lebe ich seit ein paar Monaten wieder dort. Bisher bin ich weder Hexen noch Geistern begegnet.«
»Und sicher auch keinen Zombies«, ergänzte ich automatisch.
»Nein«, grinste er kopfschüttelnd. »Denen auch nicht.« Wieder schnitt er ein Stück von seiner Pizza. Da fiel mir auf, dass ich die Lasagne noch gar nicht probiert hatte. Ich lud mir etwas davon auf die Gabel und schob es mir in den Mund. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Vermutlich hatte ich geglaubt, dass es nur in Großstädten gute italienische Lokale gebe. Falls das meine Annahme war, wurde sie widerlegt. Die Lasagne war richtig gut.
»Ich schätze«, fuhr er kauend fort, »dass das bloß eine uralte Geschichte ist, mit der die Leute seit Generationen ihre Kinder erschrecken. Sie wissen schon, eine dieser Wenn-du-nicht-tust-was-ich-von-dir-will-kommt-die-böse-Hexe-und-frisst-dich-Geschichten. Um ehrlich zu sein, habe ich mich nie sonderlich dafür interessiert.«
Ich konnte kaum glauben, wie leicht er das Thema abtat. »Wollen Sie denn gar nicht wissen, was in dem Haus, in dem Sie heute leben, einmal passiert ist?«
Adrian schmunzelte. »Wenn die Geschichten tatsächlich gruselig sind, schlafe ich sicher besser, wenn ich sie nicht kenne.«
»Na, Ihre Ruhe möchte ich haben.« Hätte ich in einem Haus gewohnt, dessen frühere Besitzer Hexen waren, die noch dazu mitsamt dem Haus verbrannt worden waren, hätte ich vermutlich kein Auge mehr zugetan. Nicht dass ich in meinem eigenen Haus besonders gut schlief. Ich
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