01 - Der Geist, der mich liebte
gab einen schrecklichen Unfall. Mike schluchzte sie.
Ich hätte mit allem gerechnet. Zum Beispiel damit, dass sie mir sagte, Nicholas habe versucht, sie umzubringen Dass ihr Auftauchen etwas mit Mike zu tun haben könnte wäre mir im Leben nicht in den Sinn gekommen. Ich hatte also die ganze Zeit über Recht gehabt und Mike war ihr wichtiger, als sie zugeben wollte.
»Kannst du bitte mit mir zum Krankenhaus kommen? Ich möchte nicht allein sein.«
»Natürlich.« Ich stand auf.
»Ms Adams, ich weiß nicht, ob es so gut ist, wenn Sam Sie jetzt begleitet«, wandte Adrian ein. »Sie fühlt sich nicht besonders gut und sollte sich lieber hinlegen. Soll ich Sie vielleicht fahren?«
Ich schüttelte den Kopf. »Schon in Ordnung, Adrian.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Danke. Für das Essen und Ihre nette Gesellschaft.«
Adrian begleitete uns zur Tür. Tess ging schon nach draußen, da griff er noch einmal nach meiner Hand und hielt mich zurück. »Ich würde mich freuen, wenn wir das bald einmal wiederholen könnten. Vielleicht wenn Sie sich wieder ein wenig besser fühlen?«
Ich nickte. »Gerne.« Wenn wir uns wiedersahen, hatte ich ihm eine Menge zu erklären. So viel stand fest. Er beugte sich zu mir herab und küsste mich auf die Wange, dann kehrte er ins Haus zurück und schloss die Tür hinter sich.
Ich rannte hinter Tess zum Honda, der mit laufendem Motor und eingeschalteten Scheinwerfern in der Auffahrt stand. Tess stieg gerade ein, als ich sie erreichte.
»Was ist passiert, Tess?«
»Ich erzähl's dir unterwegs.«
Ich hatte die Wagentür kaum hinter mir geschlossen, da preschte sie auch schon los. Sie fuhr wie eine Wahnsinnige die kurvige Straße entlang. So rasant, dass ich es mit der Angst zu tun bekam. »Tess! Fahr langsamer!« Sie ging vom Gas, allerdings nur ein klein wenig. Für meinen Geschmack - und auch den jedes Verkehrspolizisten - war sie immer noch viel zu schnell unterwegs. In kürzester Zeit lag der Hügel fast hinter uns.
»Was ist mit Mike? Was für ein Unfall?«
»Mike geht es gut.«
»Was ? Aber du hast doch -«
Obwohl sie noch immer wie eine Irre die Straße entlangraste, sah sie mich an. In der Dunkelheit ließ die verschmierte Wimperntusche ihre Augen riesig wirken. »Ich wollte dich nur von Adrian fortbekommen.«
»Du wolltest was?« Meine Übelkeit war verflogen, zumindest jener Teil, der nichts mit Tess' rasantem Fahrstil zu tun hatte. Plötzlich wurde ich zornig. Wusste heute niemand, was er wollte? Erst sagte mir Nicholas, ich solle ausgehen, dann wollte er mich davon abhalten - mal ganz davon abgesehen, dass er versucht hatte, mich umzubringen. Und jetzt kam Tess mit derselben Nummer an! Auch sie hatte mich zuvor doch ständig gedrängt, Adrian nicht von der Angel zu lassen. »Gab es hier in der Gegend irgendeinen Chemieunfall oder etwas in der Art?«, rief ich ungehalten. »Oder warum drehen hier alle durch?«
»Adrian will dich umbringen.«
»Was? Spinnst du jetzt vollkommen?«
»Sam, das ist kein Spaß. Nicholas sagt...«
Nicholas! »Weißt du eigentlich, was du da redest? Wenn hier jemand versucht hat, mich umzubringen, dann war das Nicholas!« Ganz sicher nicht Adrian, mit dem ich mehrere Stunden verbracht hatte. Vollkommen unversehrt, nebenbei bemerkt.
»Nicholas hat...«
»Halt sofort an!«, verlangte ich.
»Sam, bitte.«
Ich hielt es nicht mehr aus. Das alles war einfach zu viel. Vermutlich würde ich mich morgen für mein Verhalten bei Tess entschuldigen müssen - und das auch reumütig tun -, aber im Moment wollte ich sie nicht mehr sehen. Weder sie noch sonst wen. »Du sollst augenblicklich stehen bleiben!« Sie stieg so abrupt auf die Bremsen, dass es mich in den Sicherheitsgurt presste. Mit quietschenden Reifen kam der Wagen zum Stehen.
»Sam, ich will dir nur helfen! Du musst...«
»Danke, verzichte.« Ich löste den Gurt und riss die Wagentür auf. Hinter mir protestierte Tess lautstark, doch ich war nicht mehr gewillt, ihr zuzuhören. Am Ende hatte sie vor, mich zurück zu meinem Haus zu bringen. Dorthin, wo Nicholas mich erwartete. »Ich kann dir nur eines raten, Tess: Halt dich von meinem Haus fern! Nicholas ist gefährlich!« In einem Anflug von schlechtem Gewissen fügte ich
hinzu: »Wir sprechen morgen in Ruhe über alles. Jetzt kann ich einfach nicht mehr. Das ist mir echt zu viel!« Dann schlug ich die Tür zu und marschierte zum Fußweg, der ein paar Meter von der Straße entfernt verlief.
Eine Weile fuhr Tess noch in
Weitere Kostenlose Bücher