01 - Der Geist, der mich liebte
brachte ich nicht raus. In meinem Kopf tobte ein Lärm, als raste eine ganze Schwadron Düsenjäger hindurch. Ich war in seinem Haus gewesen! Im Haus eines Mannes, der vorgehabt hatte, mich anstelle der Katzen für seine Experimente zu verwenden. »Hexenblut«, würgte ich schließlich mit einem schiefen Grinsen hervor. »Verrückt, nicht wahr?« Einen Moment noch lehnte ich mich an Nicholas, dann hatte ich mich wieder gefangen und löste mich aus seinem Griff. Allerdings nicht ohne mich nun vorsichtshalber doch hinzusetzen. »Was ist dann geschehen?«
Nicholas' Blick ruhte noch immer auf mir, prüfend, wie um herauszufinden, wie viel ich vertragen konnte. Nicht mehr viel, dessen war ich mir sicher. Doch das würde ich ihm nicht sagen. Schließlich nickte er. »Es gab noch andere Bücher. Bücher über Geister und übersinnliche Phänomene. Eines war voller Bannsprüche. Formeln, mit denen man Geister von seinem Haus fernhalten kann.«
»Soll das heißen, er versucht...«
»... zu verhindern, dass ich eindringen kann.«
Offensichtlich hatte Adrian Crowley meine Geschichte über den Geist seines Großonkels ganz und gar nicht für einen Scherz gehalten. »Das ist meine Schuld. Wenn ich nicht...«
»Du hattest Angst und hast nur versucht, Hilfe zu finden. Mach dir keine Vorwürfe«, sagte Nicholas sofort. »Abgesehen davon war ich ja in seinem Haus. Jetzt wissen wir zumindest, was er vorhat.«
»Hast du noch mehr gefunden?«
Nicholas schüttelte den Kopf. »Ich verließ den Keller und sah mich im restlichen Haus um. Als ich bemerkte, dass er nicht mehr da ist...«
Ich hielt den Atem an.
»Ich hatte schreckliche Angst um dich, deshalb bin ich als Erstes in die Maple Street zurück. Du warst nicht da und dein Wagen war fort. Dann bin ich zu Tess, weil ich dich dort vermutete. Als ich dort ankam ... Sie stand vor dem Haus im Pyjama. Etwas - jemand - musste sie nach draußen gelockt haben. Ich wollte sie warnen, aber ...«
»Du hast gesehen, wie es passiert ist«, keuchte ich.
»Ich konnte nichts tun, Sam. Ich habe es versucht. Ich habe ihn angegriffen, doch ich konnte ihn nicht berühren.« Die Worte verließen jetzt immer schneller seinen Mund. »Sie hat ihn nicht kommen sehen. Er hat sie niedergeschlagen und dann mit einer Tüte über dem Kopf erstickt.«
»Was?«
»Nachdem sie tot war, stand er über ihr und grinste. Kannst du dir das vorstellen? Er grinste! Und dann sagte er: >Ich habe über Geister nachgeforscht, Bruderherz. Das mit dem Atem ist interessant. Wenn du ehrlich warst, hast du es Sam erzählt. Dumm von dir. Sie wird denken, dass du es getan hast. Du bist mir das letzte Mal in die Quere gekommen !< Dann wandte er sich ab und ging zu seinem Wagen, als sei nichts geschehen.«
Sollte das heißen, dass Adrian imstande war, Nicholas' Anwesenheit zu spüren ? Eine ganze Weile brachte ich keinen Ton raus. Ich setzte immer wieder an, etwas zu sagen doch es wurde nie mehr als ein Krächzen daraus. »Es tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe«, brachte ich nach einer Ewigkeit endlich hervor.
Nicholas lächelte traurig. »Mit meinem Verhalten habe ich dir nicht gerade Grund gegeben, mir zu vertrauen. Das habe ich selbst zerstört.«
»Nicht zerstört«, erwiderte ich, »nur auf die Probe gestellt.« Die Erleichterung in seinem Blick war so aufrichtig, dass ich nicht anders konnte: Ich ging zu ihm.
Nicholas griff nach meinen Händen. »Ich wollte nie, dass du all das meinetwegen durchmachen musst«, sagte er leise.
Ich dachte an die Angst, die er mir eingejagt hatte. Und an Tess. Dann schüttelte ich den Kopf. »Nichts davon ist deine Schuld. Das alles ist einzig und allein Adrian zuzuschreiben.« Mein Vertrauen in Nicholas war wiederhergestellt und jetzt, da ich die ganze Wahrheit kannte, sogar noch größer als zuvor. Er hatte oft genug Gelegenheit gehabt, mich zu töten. Stattdessen hatte er versucht, mich zu beschützen. Als ich in seine Augen sah, fand ich die unerschütterliche Gewissheit: Er würde mir nie zu viel Atem nehmen.
Das war der Moment, in dem die Anspannung abfiel und meine Selbstbeherrschung wie ein Kartenhaus über mir zusammenbrach. Ich bemerkte erst, dass ich weinte, als Nicholas mich an sich zog und fest in die Arme schloss.
Lange Zeit standen wir so da, eng umschlungen, die tröstliche Nähe des anderen genießend. Selbst als ich mich wieder beruhigt hatte, löste ich mich nicht aus seiner Umarmung. Die ganze Zeit über wartete ich darauf, dass seine Berührung sich
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