01 - Der Geist, der mich liebte
seinen Augen und die Angst, ich könnte seinen Plan mit wenigen Worten zunichtemachen, indem ich ihm aufzeigte, dass er ohne mich nicht durchführbar war. Genau das tat ich auch: »Selbst ohne diese Geisterabwehr oder wie immer man das nennen soll, könntest du allein nichts ausrichten.« Er wollte protestieren, doch diesmal ließ ich ihn nicht zu Wort kommen. »Wenn du als Geist ins Haus gehst, kannst du vielleicht unbemerkt eindringen, doch du kannst nichts berühren. Du kannst seine Bücher nicht zerstören und seine Arbeit nicht vernichten. Alles, was du tun kannst, ist zu beobachten. In deinem jetzigen Zustand«, ich tippte ihm mit der Hand gegen die Brust, »kannst du Dinge berühren. Aber du kannst nicht unbemerkt ins Haus gelangen. So oder so, du brauchst mich. Entweder um das Labor zu zerstören oder aber um Adrian abzulenken.« Ich persönlich zog die Version mit der Ablenkung vor. Das bedeutete zwar, dass ich dem Mann, der es auf mein Blut abgesehen hatte, persönlich gegenübertreten musste, zugleich jedoch wäre Nicholas materiell und konnte eingreifen, falls es für mich brenzlig werden sollte.
»Wir sollten lieber den Sheriff...«
»Vergiss es! Wir haben keinerlei Beweise gegen Adrian.
Mit dem richtigen Anwalt kommt er nicht einmal vor den Untersuchungsrichter«, widersprach ich. »Wir müssen das selbst in die Hand nehmen. Ich werde ihn anrufen und um ein Treffen bitten.«
»Du glaubst doch nicht, dass er darauf eingeht!«
Ich runzelte die Stirn. »Warum nicht? Er weiß nicht, dass ich inzwischen die Wahrheit kenne. Sicher denkt er, ich würde mich vor dir fürchten. Ich werde ihm von Tess' Tod erzählen und dass ich jetzt nicht allein sein möchte.« Ich hatte nicht einmal annähernd verdaut, was während der vergangenen Stunden geschehen war. Deshalb würde es mir sicher nicht schwerfallen, einen aufgelösten Eindruck zu erwecken. Dazu musste ich mich vermutlich nicht einmal verstellen. »Er hat es auf mein Blut abgesehen. Allein deshalb wird er dieses Treffen wollen. Ich werde zu ihm fahren und seine Geisterabwehr lahmlegen, damit du ins Haus kannst.«
»Nein, Sam. Vergiss den ganzen Plan. Es ist zu gefährlich.«
»Hast du eine bessere Idee?« Nicholas schwieg. »Ich auch nicht. Deshalb machen wir es so. Ich habe ein Pfefferspray, mit dem ich ihn mir vom Leib halten kann, falls es brenzlig wird.« Diesmal würde ich es in die Hosentasche stecken, nicht in meinen Rucksack, wo es gewesen war, als mich der Landstreicher überfallen hatte.
»Pfefferspray!«, schnaubte Nicholas. »Du solltest dir lieber einen Revolver besorgen.«
Abgesehen davon, dass ich keinen besaß und auch nicht wusste, wo ich einen herbekommen sollte, ohne unliebsame
Fragen zu provozieren, hätte ich ohnehin nicht damit umgehen können.
»Was ist, wenn du gar nicht die Gelegenheit bekommst herauszufinden, wie dieser Geisterbann ausgeschaltet werden kann? Was, wenn er dich sofort angreift und in sein Labor verschleppt?«, fragte Nicholas mit starrer Miene. »Dann kann ich dir nicht einmal helfen!«
»Dann werden wir einen Weg finden, dass er mich nicht sofort angreifen kann.«
»Wie soll das gehen?« Und mit verstellter Stimme sagte er: »Hallo, Adrian, ich bin gekommen, dir das Handwerk zu legen, aber tun kannst du mir in den nächsten zwanzig Minuten noch nichts!« Er wechselte wieder in seine normale Tonlage. »Das ist Wahnsinn!«
Ich schüttelte den Kopf. »Ist es nicht. Ich muss ihm nur glaubhaft versichern, dass der Sheriff weiß, wo ich bin und mich jeden Moment abholen kommen wird, weil er noch meine Aussage braucht.«
Nicholas starrte mich mit offenem Mund an. »Das ist brillant!«
Schade nur, dass sich das Wissen, in Adrians Haus zu müssen, nicht ganz so brillant anfühlte. Trotzdem zwang ich mich zu einem schiefen Grinsen, das mir allerdings recht schnell wieder verging, als mir etwas anderes einfiel: »Wie lange wird es dauern, bis du wieder ... durchscheinend wirst?« Eine nicht ganz unerhebliche Frage.
»Ich habe viel von Mr Owens Atem genommen.« »Wie viel?«
»Vielleicht genug für ein paar Stunden.«
»Vielleicht?«
»Genau weiß ich es nicht.«
Ich versuchte abzuschätzen, wie lange wir uns bereits im Keller aufhielten und wie viel Zeit Nicholas noch blieb, bevor er wieder zum körperlosen Geist wurde. Um es kurz zu machen: Ich hatte nicht die geringste Ahnung. »Wir müssen sichergehen. Am besten nimmst du noch etwas von meinem Atem.«
»Nein!«
Warum musste er immer Nein sagen, wenn ich
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