01 - Der Geist, der mich liebte
weniger fest anfühlen würde. Ich war darauf gefasst, dass die Wärme dieses Mannes jeden Augenblick schwinden und der gewohnten Kälte des Geistes Platz machen würde. Doch es geschah nicht.
»Sam«, begann er plötzlich und schob mich ein Stück von sich, »ich will, dass du Cedars Creek verlässt und nie wieder zurückkommst! Sofort!«
»Soll das ein Witz sein?« Jetzt befreite ich mich doch aus seinen Armen.
»Ich will nur verhindern, dass er dir etwas antun kann! Ich will dich in Sicherheit wissen!«
»Denkst du, er würde mich nicht suchen?« Ich konnte verstehen, was in Nicholas vorging, doch so einfach war es nicht. Es würde mir nichts helfen, mich in einem Loch zu verkriechen und zu hoffen, dass ich Adrian niemals wiedersehen würde. »Ich kann nicht einfach nach Boston gehen und so tun, als gäbe es ihn nicht. Ich würde ihn hinter jedem Busch und jedem Schatten vermuten.«
»Dann geh woandershin! Ändere deinen Namen, damit er dich nicht finden kann!«
»Es gibt kein Zeugenschutzprogramm für Leute, die von irren Hexern verfolgt werden.« In mir stieg plötzlich eine eisige Ruhe auf, die mit der Gewissheit einherging, dass ich den Weg kannte, der mir meinen Frieden zurückgeben konnte. Den einzigen Weg. »Er hat Tess ermordet. Ich werde
nicht zulassen, dass er damit davonkommt.« Da fiel mir etwas anderes ein. Ich sah auf. »Was ist mit der Tüte, die er benutzt hat, um...«
»Er hat sie weggeworfen.« Als Nicholas erkannte, worauf ich hinauswollte, schüttelte er den Kopf. »Er trug Handschuhe.«
Also keine Fingerabdrücke.
»Du kannst auch nicht einfach mit einer Geschichte über Adrian, der Tess ermordet hat, zum Sheriff gehen. Er wird dir kein Wort glauben. Er wird nichts tun können.«
»Aber wir.«
Nicholas sog zischend die Luft ein. Das war beinahe das Erstaunlichste, sobald er sich materialisiert hatte, atmete er auch. »Was soll das heißen?«
»Das weißt du doch sicher längst.«
»Nein!«, rief er entsetzt. »Ich will nicht, dass du noch einmal in seine Nähe kommst!«
»Das ist der einzige Weg. Du wirst deinen Frieden finden und ich meinen. Frei zu sein, ist es nicht das, was du dir wünschst?«
Nicholas sah mich lange an. Schließlich setzte er sich auf den Boden, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und griff nach meiner Hand. Mit einem entschiedenen Ruck zog er mich zu sich nach unten. Ich setzte mich zwischen seine Beine und lehnte mich an seine Brust.
»Dann hast du sicher auch schon einen Plan«, vermutete
er.
Ich wäre nicht so weit gegangen, es als Plan zu bezeichnen. Eher eine Idee. Oder eine vage Ahnung. Trotzdem
hatte ich den Eindruck, dass es funktionieren könnte. »Was glaubst du, was passiert, wenn wir ihn lange genug von seinem Zaubertrank abschneiden? Ich könnte mir gut vorstellen, dass ihn sein wahres Alter dann sehr schnell einholt.« Horrorfilmwissen. In einem Film würde er einfach in Sekundenschnelle altern und zu Staub zerfallen. Einmal kurz gesaugt und feucht gewischt, und das Problem Adrian Crowley wäre endgültig gelöst. Auf Nimmerwiedersehen, Katzenquäler!
»Das könnte tatsächlich klappen!« Er nickte. »Als ich noch am Leben war und versucht habe ihn von seinen Experimenten abzubringen, sagte er einmal zu mir, er sei bereits zu weit gegangen, um jetzt noch zurückzukönnen. Vielleicht wollte er damit genau das sagen: dass er nicht mehr ohne den Trank leben konnte.«
Das war reine Spekulation. Aber ich tat den Teufel, Nicholas darauf aufmerksam zu machen. Es gab keinen Beweis und auch keine Garantie dafür, dass es tatsächlich so kommen würde, wie wir uns das vorstellten. Mein Gefühl jedoch sagte mir, dass wir auf dem richtigen Weg waren. »Und wenn wir schon dabei sind«, fügte ich hinzu, »zerstören wir auch gleich sein Labor. Den magischen Schnickschnack, die Bücher, alles! Was soll er dann noch anstellen?«
Er strich mit der Hand über meine Schulter, nachdenklich, ernst. »Sam, es gibt ein Problem.«
»Oje! Ich glaube, ich will es nicht wissen.«
»Solltest du aber. Ich war heute noch einmal beim Haus, doch ich konnte es nicht mehr betreten. Der Geisterbann wirkt.«
»Dann werde ich ihn entfernen.«
»Nein!« Er schob mich ein Stück von sich und sah mir fest in die Augen. »Ich will dich nicht einmal in der Nähe des Hauses wissen. Hörst du ? Ich will, dass du in der Stadt bleibst, an einem Ort, an dem viele Menschen sind. Dort wartest du auf mich.«
»Nicholas, wie stellst du dir das vor?« Ich sah die Sorge in
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