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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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flüsterte er leise.
    »Nein«, gab sie lächelnd zurück. »Es ist die freudige Erwartung, die mich rührt.«
    Gunther hörte die Worte seiner Schwester, und vom gleichen Geist beflügelt, wandte er sich an Brunhilde. »Und du, meine Liebe? Freust du dich, in wenigen Momenten Königin von Burgund zu sein?«
    Sie sah ihn nicht an, den Blick starr auf den Kirchturm gerichtet, als wäre er ein Kreuz, an das sie nun geschlagen würde. »Ich gebe es auf, Königin von Island zu sein, um Königin von Burgund zu werden. Gestattet mir, den Wert des Tauschs zu prüfen, wenn er vollzogen ist.«
    Es war nicht die Antwort, die Gunther erwartet hatte, aber auch keine feindselige Ablehnung. Brunhilde schien sich langsam an die Tatsachen zu gewöhnen.
    Das Portal der Kirche wurde aufgezogen, und der kühle Luftzug ließ die Blütenblätter auf dem Platz begeistert tanzen. Die Stimmung war so feierlich, wie es der Anlass verlangte.
    Elsa bemerkte aus dem Augenwinkel, dass ihr Vater zurückfiel und die Treppe zum Portal nicht mit dem Fuß betrat. Sie drehte sich kurz um, aber er bedeutete ihr mit einer schnellen Handbewegung, weiterzugehen. »Ich werde hier draußen die Vorbereitungen für den Rückweg überwachen.«
    Sie wusste natürlich, dass er log. Während längst nicht alle Burgunder dem neuen Glauben anhingen, hatten die meisten doch ihren Frieden mit dem Christengott gemacht und beteten zu den alten Göttern nur heimlich, um den König nicht zu verärgern. Hagen jedoch war sehr offen in seiner Ablehnung des Christentums, und nur vor Gunther sprach er nicht davon. Die Lehre von Vergebung und Unterwürfigkeit erschien ihm schwach und widerlich, ein Glaube für Waschweiber und Feiglinge. Die Kirche heute nicht zu betreten war sein Protest, den er kaum zu verbergen gedachte.
    Ein Schatten fiel über den Platz, und erst jetzt merkten die Anwesenden, dass fette graue Wolken sich über Worms zusammenballten.
     
    Sie hatten die Glocken schon gehört, bevor sie geschlagen worden waren. Die Ahnung von Verrat und Tod, der Geruch von Missgunst und eitler Lust zog sie an, weil sie wussten, dass er auch zum Gold führte. Zwischen den Bäumen und durch sie hindurch waren sie vom Nibelungenwald gekommen, sich in Steinen und Bächen findend, die körperlosen Gestalten in der Natur bindend. Sie flüsterten einander zu in Wind und gurgelnden Flüssen, und in Schatten fanden ihre Hände zueinander. Sie waren viele und doch eins, Volk wie Geist, Alberich wie Regin, und Hunderte, deren Namen keine Lippen kannten. In ihrem Gefolge ritten Wolken, düstere Boten kommenden Unheils.
    Auf den Hügeln nördlich von Worms kamen sie zur Ruhe, die Stadt weit unter sich, wo der Kirchturm wie eine Schwertspitze zum Himmel gereckt war.
    Sieeehhh an . . .
    Es war eine kichernde Erkenntnis, und nur wenige Nibelungen sahen keine Heiterkeit im großen Hochzeitsfest.
    Liebe blüht auf Diebstahl und Verraaat . . .
    Durch ihre aus dem Boden um die Sträucher tanzende Masse kämpften sich Schemen, die um eigene Worte rangen.
    Kein Hass ist heute in Burgund . . .
    Es war ein versöhnlicher Gedanke, der sofort in einem wilden Geschnatter böser Worte unterging.
    Hass überall . . . und schwarze Herzen . . . Hagen . . . Brunhilde . . . kein Verzeihen . . .
    So verharrten sie, für gut zwei Stunden lamentierend, bis die Glocken die Vermählung zweier Paare verkündeten und die Krönung eines neuen Königs.
    Siiiegfried . . . vor seinem neuen Gott mit unserem Gold . . .
    Obwohl kein Menschenauge aus dieser Entfernung etwas hätte sehen können, erkannten die Nibelungen jede Einzelheit, als die Könige mit ihren Königinnen aus der Kirche traten. Ihre Blicke gingen tiefer als Haut und Fleisch, in Herzen und Seelen. Das schmerzende Blut Brunhildes blieb ihnen ebenso wenig verborgen wie Gunthers eitle Freude, der sich am Ziel seiner Wünsche wähnte.
    Es regnete nun auf Burgund, kurz und wütend, begleitet von Blitz und Donner, wie der Protest alter Götter gegen neue Regeln.
    Sooo viele Länder . . . sooo viele Leiden . . . wie wird es enden?
    Die Nibelungen hatten den Beginn des nächsten Akts nun gesehen und zogen sich zischelnd und flirrend in ihren Wald zurück.
    In Blut . . . nuuur in Blut . . .

    Hagen hatte sich während des kurzen Gewitters nicht untergestellt, seinen Umhang nicht über den Kopf gezogen. Der Regen prasselte auf seine hagere Gestalt, während die hektisch nach Schutz suchenden Bürger um ihn herumeilten wie Ameisen. Er fragte sich kurz, ob der

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