01- Die Normannenbraut
Küche.
»Nun werdet Ihr Freyda kennenlernen«, verkündete Moira. »Sie führt hier die Aufsicht. Wenn Euch irgendwas missfällt, müsst Ihr Euch an sie wenden … « Plötzlich erstarrte sie.
Erin folgte dem Blick ihrer Begleiterin und entdeckte eine üppig gebaute, Frau mit langen wirren Locken. Sie trug eine tief ausgeschnittene Robe und herrschte einen sichtlich bedrückten kleinen Mann an, der einen Bratspieß mit Rindfleisch drehte. Dass sie irisch sprach, war keineswegs verwunderlich, denn mit ihrem dunklen Haar sah sie nicht nordisch aus. »Moira, was hat das zu bedeuten?«
»Ach, nichts … Kommt mit mir, ich habe Freyda gesehen.«
Die Köchin, eine freundliche, dicke Frau, hatte hübsche Kirschenaugen. Sie schenkte Moira ein warmherziges Lächeln, dann musterte sie Erin unverhohlen. »ja, Ihr werdet uns sicher eine gerechte Herrin sein -und für unseren guten König Olaf eine bildschöne Königin.«
Erin errötete, als ihre Hüften freimütig abgetastet wurden. »Ihr seid ein bisschen zu dünn, aber da, wo’s drauf ankommt, breit genug. Oh, ich werde schon dafür sorgen, dass Ihr tüchtig esst und unserem König viele Söhne schenkt.« Unbehaglich starrte Erin auf den Steinboden, und Freyda kicherte fröhlich. »Ich werde jeden Morgen mit Euch die Speisenfolge für den Abend besprechen. Heute habe ich das Fleisch schon ausgesucht. Oder wollt Ihr was dran ändern?«
»Nein, nein«, erwiderte Erin hastig. »Ich traue Eurer Urteilskraft viel mehr als meiner eigenen. Bald werde ich den Geschmack der Krieger kennenlernen.« Plötzlich merkte sie, wie die Irin, die den kleinen Küchengehilfen beschimpft hatte, zu ihr herüberschaute. Sie erwiderte den Blick und fragte sich, warum eine Landsmännin eine so heftige Abneigung in ihr wecken konnte. Die grauen Augen betrachteten sie abschätzend und spöttisch, dann wandte sich die Frau ab und verließ mit wiegenden Hüften die Küche.
Das Gespräch mit Freyda war beendet, und plötzlich erinnerte sich Erin, dass sie noch nichts gegessen hatte. »Moira, könnte ich einen kleinen Imbiss bekommen?«
Erschrocken hielt Moira den Atem an. »Oh, verzeiht, das habe ich vergessen … Unsere Hauptmahlzeit findet abends statt. Von jetzt an werde ich euch jeden Morgen etwas bringen. Es tut mir so leid.«
»Das ist nicht nötig«, entgegnete Erin lächelnd. »Aber jetzt muss ich meinen Hunger stillen.«
Die Köchin tischte ihnen saftiges Rindfleisch auf, das Erin köstlich schmeckte, bis ihr einfiel, dass auch Olafs Rinderherden zur Kriegsbeute zählten. Ich esse irischen Braten, dachte sie. Und Moira ist eine Irin, die in ihrem eigenen Land diese Wikingerschurken bedient.
Und dann erinnerte sie sich an jene andere Irin und deren unverschämten Blick. »Moira, wer ist diese Frau, die uns vorhin angestarrt hat?«
Moira leckte angelegentlich Bratensaft von ihren Finger. »Sie - heißt Mageen.«
»Wurde auch sie bei einem Überfall gefangengenommen?«
»Ja, von den Dänen. Sie wohnte bereits in Dubhlain, als Olaf die Stadt einnahm.«
»Offenbar darf sie sich hier frei bewegen. Ist sie keine Dienerin?«
Moira zögerte nur ganz kurz, aber Erin bemerkte es. »Doch … Kommt jetzt, ich muss Euch noch so viel zeigen.«
Am Nachmittag lernte Erin die Schneiderinnen, die Wäscherinnen und verschiedene andere Dienstboten kennen. Sie erfuhr, dass ihr ein besonderer Raum für Audienzen zur Verfügung stand. Dort konnte sie Bittsteller und Leute empfangen, die einen Arbeitsplatz am Königshof anstrebten. Unter anderem hatte sie auch die Aufgabe, kleine Streitigkeiten unter den Frauen zu schlichten.
Als die Abenddämmerung hereinbrach, kehrte sie in ihr Zimmer zurück, um sich vor der Mahlzeit frisch zu machen. Sie beeilte sich, denn dabei wollte sie nicht von Olaf überrascht werden. Während sie ihre Hände und das Gesicht abtrocknete, dachte sie wieder an die seltsame Irin, die ihr in der Küche begegnet war, Mageen mit den schwingenden Hüften, den wissenden Augen, der herausfordernden Miene. Nur eine einzige Frau konnte es wagen, die Königin so frech anzugaffen - Olafs Hure. Ein unerwarteter heftiger Schmerz erfasste Erin.
Was kümmert mich das, fragt sie sich. Ich habe ihn nicht aus Liebe geheiratet, sondern unter Zwang - zum Wohl Irlands. Und solange er mich in Ruhe lässt, ist mir alles andere gleichgültig … Trotzdem empfand sie helle Empörung, nicht zuletzt, weil offenbar alle Leute über brach das drückende Schweigen. »Hier leben viele Irinnen. Du wirst
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