01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
einer Gabelung am Ende und zwei waagerechten Ästen. Dazu Palmblätter als Sichtschutz, ein Stück Wellblech als Dach. Das Häusl hatte meine aus Bayern stammende Mutter es genannt -ich hatte lange geübt, um dieses Wort aussprechen zu können. Ein paar Monate nach unserer Rückkehr hatten meine Gefährtinnen ein weiteres Klohaus errichtet, das wesentlich komfortabler war und über ein Abluftrohr sowie einen zu schließenden Holzsitz verfügte. Das alte Bad im Farmhaus war nicht mehr zu benutzen gewesen.
Die Familien meiner Patientinnen hingegen verrichteten ihre Notdurft im Freien.
Ich beschwor sie, zumindest nach dem Häusl- Vorbild für mehr Sauberkeit zu sorgen. Die Inspektion unserer Latrinen, die wegen des Brunnens über 25
Meter vom Farmhaus entfernt lagen, ergab außerdem, dass die Mauer entsprechend weit gezogen werden musste. Unsere Maurerinnen stöhnten ...
Eines Tages brachte das Ehepaar Musa seine Tochter Fatima vorbei. Sie hatte sehr hohes Fieber, war kaum ansprechbar und bereits dehydriert. Die Musas hatten in einer von Moskitos geplagten Gegend Verwandte besucht, deshalb tippte ich auf Malaria. Das Kind schwebte in Lebensgefahr.
Ich erlaubte Frau Musa, die nächste Zeit mit ihrer Tochter gemeinsam auf der Heilstation zu verbringen. Das ist übrigens eine in vielen Krankenhäusern in meinem Land durchaus gängige Praxis; sie sparen Pflegepersonal und somit die Angehörigen viel Geld. Die Aufnahme von Angehörigen hatten wir aus Platzmangel und Rücksicht auf unsere Wohnsituation bislang nicht zulassen können.
Durch ihre ständige Anwesenheit erfuhr Frau Musa bald von unserem Mauerbau. Sie fand die Idee sogar ganz toll! Kein Wunder - die Familie lebte ja ihrerseits hinter einer hohen Mauer. Nach dem nächsten Besuch bei Frau und Kind rückte Said Musa mit einem Bagger und zwei Kollegen an. Ich beobachtete staunend, was nun geschah: Meine Gefährtinnen, die sich einst so vehement gegen die Anwesenheit eines Mannes ausgesprochen hatten, standen Seite an Seite mit völlig fremden Männern und schichteten vom Bagger angefahrene Steine aufeinander. Ein paar Tage später brachte Musa mit dem Lastwagen säckeweise Zement, um die ersten Abschnitte gegen jeden Ansturm abzusichern.
Gemeinsam mit Efe beobachtete ich, wie Musa und seine Kollegen mehrmals ihre Arbeit unterbrachen, kleine Gebetsteppiche ausbreiteten, sich gen Osten verneigten, immer wieder aufstanden und erneut niederknieten. Ich stieß Efe an. „Unsere Gefährtinnen igeln sich aus Angst vor Muslimen ein. Dabei sind Musa, seine Familie und seine Helfer selbst welche. Sag mal, kannst du das alles noch verstehen?“
„Die scheinen sich bei uns richtig wohl zu fühlen“, meinte meine Schwester.
Wie sehr hatte ich mich gegen jede Art von Einfriedung gestemmt - jetzt musste ich mir eingestehen, dass ausgerechnet die trennende Mauer half, Gegensätze zu überwinden.
Unsere immer zahlreicher werdenden Patientinnen verbreiteten Efes und meine Erfolge. Meist brachten die Hilfsbedürftigen, die zu uns kamen, gleich zwei, manchmal sogar drei Betreuerinnen mit. Da die Heilstation - ausgelegt auf höchstens
sechs Patientinnen und je eine Betreuerin - diesen Ansturm längst nicht mehr fassen konnte, schliefen sie auf der Veranda, im Geräteschuppen neben dem immer noch nicht reparierten Traktor und im Freien.
Die Herstellung der Medizin und die Pflege der Frauen und Kinder hielten Efe und mich pausenlos in Atem. Fremde Frauen saßen im Hof, kochten hinter dem Haus ihr Essen, stampften Hirse zu Brei. Einmal ärgerte ich mich darüber, wie eine jüngere Frau, die ich noch nie gesehen hatte, den Hof fegte. Sie stellte sich dabei so ungeschickt an, dass sie den Schmutz verteilte, anstatt ihn zu beseitigen.
Auch Mama Ngozi schlug auf einer unserer Sonntagszusammenkünfte Alarm.
„Es sind zu viele Fremde im Compound. Sie stören den Frieden. Außerdem essen sie auf, was wir in unseren Speichern haben.“ Sie blickte in die Runde und verkündete ihre Schlussfolgerung: „Das Heilhaus wird zur Gefahr für unsere ganze Gemeinschaft!“
Nichts lag weniger in meinem Interesse, als für Unruhe zu sorgen. Die Gesundheit meiner Schwestern erforderte Stabilität; mit einer Öffnung durch die Aufnahme von Patientinnen wollte ich unseren Hof keineswegs in einen Marktplatz verwandeln. Rat suchend blickte ich zu Ada und Bisi hinüber. Mit sanftem Kopfnicken gaben meine Mamas mir zu verstehen, dass sie Ngozis Einschätzung teilten. Ich sah nur eine Lösung: die
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