01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
wandern. 1000 Kilometer! So ein Unsinn.“ Bevor sie zum Unterricht aufbrach, meinte sie optimistisch: „Denk darüber nach. Wenn du einverstanden bist, werden wir heute Abend ein nettes Versteckspiel inszenieren.“
Wir hatten keine gemeinsame Kindheit haben dürfen, uns erst als erwachsene Frauen kennen gelernt. Jetzt tat es gut zu spüren, dass wir Seite an Seite standen. Magdalenas manchmal recht dominante Art tat mir ganz gut: Sie war genau in den Momenten entscheidungsfreudig, wenn ich es nicht war. Ihre offene, geradlinige Art fand auch bei meinen Gefährtinnen Anklang: Für sie war Magdalena eine Respektsperson. So etwas wie ein Fels in der Brandung, auf den man sich verlassen konnte.
Ich brachte die Medizin zu meinen Gefährtinnen und den Kindern, danach brachen die jungen Frauen auf, um die Mauer weiterzubauen. Ich untersuchte währenddessen Tanisha. Sie gefiel mir gar nicht; sie hatte deutlich erhöhte Temperatur. Auch Mama Bisi wirkte besorgt.
„Fieber am vierten Tag nach der Geburt“, murmelte sie nachdenklich. „Das heißt nichts Gutes. Wenn das so bleibt, kann das Mädchen unmöglich fortgeschickt werden.“ Damit zerfiel Magdalenas Vorschlag wie ein trockenes Blatt in der Sonne!
Die vorbeugende Medizin, die ich Tanisha gegen das befürchtete Kindbettfieber verabreicht hatte, hatte lediglich die Immunabwehr gestärkt.
Einen Antibiotikaersatz, der nun ratsam war, hatte ich vorbeugend nicht geben wollen, um die Muttermilch nicht zu belasten. In der Nähe unseres Brunnens steht ein Blutbaum, ein schnell wachsender Strauch. In aller Eile sammelte ich einige ungeöffnete Knospen davon; sie sind das Mittel der ersten Wahl, um Bakterien abzutöten, die vom Kindbettfieber herrühren. Ich zerdrückte sie in Palmöl und schob die Mixtur Tanisha in den Mund. Stieg ihre Temperatur weiter, so musste ich eine stärkere Medizin einsetzen, die jedoch ein unter diesen Bedingungen kaum lösbares Problem aufzuwerfen drohte: Die junge Mutter dürfte ihr Neugeborenes nicht mehr stillen.
„In dem Fall brauchen wir eine Amme“, stellte Mama Bisi fest.
Eine Amme für das Baby einer Frau, die in unserem Haus nicht mehr willkommen war! Undenkbar! Jemand würde nach Jeba laufen müssen, um Fläschchen und Trockenmilch zu besorgen. Ich hatte keine Ahnung, wo im Ort es beides gab.
Während Mama Bisi Tanisha betreute, hatte ich mich um die Bäuerin zu kümmern, deren Entlassung bevorstand. Sie wurde von zwei älteren Frauen abgeholt, die ich höflich und nichts ahnend fragte, ob der Weg zu uns beschwerlich gewesen sei und sie Stärkung brauchten.
Eine der Frauen blickte mich erstaunt an: „Ja, weißt du denn nichts, Heilerin?
Baut ihr nicht deshalb eure Mauer?“
Dann begann sie zu erzählen, dass sie beide von Süden aus zu uns unterwegs gewesen waren. „Immer mehr Menschen kamen uns aus Jeba entgegen.
Frauen, Kinder, Alte. Sie
schleppten, was sie nur tragen konnten. Wir fragten: „Wohin wollt ihr?“ Und sie sagten, dass sie aus Jeba fliehen. Dort werden wohl die Menschen erschlagen und die Häuser angezündet.“
„Ihr müsst euch irren“, widersprach ich. „Jeba ist ein friedlicher Ort. Was ihr erzählt, das hört sich an, als wäre dort ein Krieg.“
Die alte Frau nickte heftig. „Genauso ist es, Heilerin! Es herrscht Krieg. Die Muslime gehen seit dieser Nacht mit Hackmessern auf die Christen los und die Christen schlagen zurück. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt. Die Flüchtenden sagen, es lägen schon viele Tote in den Straßen.“ Sie beugte sich zu mir vor und setzte nachdrücklich hinzu: „Die Kirchen und die Moscheen brennen!“
Was die Frau berichtete, klang so unvorstellbar, dass ich es kaum glauben mochte. Doch wenn sie Recht hatte, war der Krieg um die Scharia von Jos aus zu uns nach Jeba gekommen.
„Baut eure Mauer schnell und baut sie hoch!“, mahnte die alte Frau.
Meine Patientin winkte ab. „Sie werden der Heilerin nichts tun. Dies ist ein sicherer Ort. Aber du solltest trotzdem wachsam sein, Heilerin!“
Wenig später brachen die drei Frauen auf, sie liefen querfeldein nach Südosten, fort von Jeba. Ihre roten Kopftücher leuchteten fröhlich in der Sonne. Ich packte meinen Feldstock und machte mich unverzüglich auf in Richtung Jeba.
Auf dem Weg dorthin gibt es einen Punkt, der etwas erhöht liegt. Von dort aus kann man bis weit in die Ebene blicken. Bei klarem Wetter erkennt man die Straßen, die auf die Ortschaft zulaufen, an deren Kreuzung sie gegründet
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