01 - Ekstase der Liebe
verrücktesten Reisen, von denen sie
je gehört hatte. Wen kümmerte es, dass er perfekt Italienisch sprach und als
Italiener durchgehen konnte? Niemand, der ganz richtig im Kopf war, würde es in
Anbetracht des zerbrechlichen Waffenstillstands zwischen Napoleon und der
englischen Regierung wagen, bei den Franzosen zu spionieren. Und was Lucien
betraf! Sie hatte den Freund ihres Mannes immer gemocht; tatsächlich hatte sie
eine zärtliche Zuneigung für ihn gehegt, seit sie auf dem Picknick erkannt
hatte, dass Lucien Frau und Kind in Frankreich verloren hatte. Aber jetzt! Wenn
er es wagen sollte, selbst bei ihr zu erscheinen, würde sie ihn in Grund und
Boden stampfen.
»Und
sag mir ja nicht, dass das nur weibliche Bedenken seien, Alex«, brauste sie
später an diesem Abend auf. »Niemand, der dem Wohlergehen nur im Geringsten im
Auge hat, wurde dich darum bitten, so etwas zu tun. Nach Frankreich gehen! Sich
als Italiener ausgeben! Nach irgendeinem Mädchen suchen, das wahrscheinlich
entdeckt und guillotiniert wurde, das arme Ding. Ganz abgesehen davon, mit
einem bekannten französischen Adeligen zu reisen - man wird dich in
Sekundenschnelle guillotinieren!« Charlotte hielt standhaft ihre Tränen zurück.
»Lucien
wird nicht bei mir sein«, erklärte Alex geduldig. »Er wird in einem Boot vor
der Küste Frankreichs warten. Es wäre zu gefährlich für ihn, das Land zu
betreten. Aber Charlotte, es besteht eine große Chance, dass wir Luciens und
Daphnes kleine Schwester retten. Wie kann ich eine solche Bitte abschlagen? Es
ist schließlich ganz einfach. Italiener dürfen frei durch Frankreich reisen.
Ich betrete das Land als wohlhabender Kaufmann, reise nur eine kurze Strecke
über die Grenze, hole das Mädchen bei dem Putzmacher ab, und das war es. Du
darfst dir nicht zu viele Sorgen machen, Liebes. Paris ist zurzeit voller
Engländer: Denk daran, wir haben ein Friedensabkommen mit Napoleon
unterzeichnet.«
»Nein,
Alex, nein-, sagte Charlotte mit erstickter Stimme und schlang ihm die
Arme um den Hals. »Es ist zu gefährlich. Du kannst mich und Pippa nicht allein
lassen. Das darfst du nicht! Ich werde sterben ohne dich.«
»Hör
mir zu, Liebling.« Alex löste sich von ihr und sah in Charlottes klare Augen.
»Ich bin als Gentleman geboren. Damit hatte ich ungeheures Glück, es hätte mir
nicht sehr gefallen, zum Beispiel als Kaminkehrer geboren zu werden. Aber
dieser Titel, den ich von Geburt an trage, bedeutet, dass ich Luciens Bitte
nicht einfach aus Angst abschlagen kann. Selbst wenn ich den Gedanken, dich und
Pippa allein zu lassen, verabscheue. Noch kann ich Lord Breksbys vorsichtig
formulierten Befehl, ein Päckchen, was immer das auch sein mag, in Paris
abzuholen, ablehnen. Sie brauchen jemanden, dem sie vertrauen können. Sie
können mir vertrauen, weil ich zu einer Stellung erzogen wurde, die mich
vertrauenswürdig macht.«
Charlotte
hätte ihn am liebsten geschüttelt. Was für ein alberner, dummer Grund, sein
Leben zu riskieren. Enttäuscht stiegen ihr Tränen in die Augen.
»Luciens
jüngste Schwester ist erst dreizehn Jahre alt«, sagte Alex. »Ich kann sie nicht
dort lassen, Charlotte. Es war sehr gefährlich für diesen Putzmacher, sie bei
sich aufzunehmen. Offensichtlich hat er allen erzählt, dass sie seine Nichte
ist, aber für Aristokraten, egal wie jung, wird eine Menge Geld bezahlt.«
Charlotte
barg. ihren Kopf an seiner Brust, ihre Schultern wurden von Schluchzern
geschüttelt. »Warum kann nicht ein anderer gehen?«, klagte sie schließlich -
der zeitlose Aufschrei der Frauen und Mütter, die zusehen mussten, wie ihre
Liebsten in fremde Kriege zogen.
»Weil
ich sehr unenglisch aussehe«, meinte Alex trocken. »Und dank Maria spreche ich
akzentfrei italienisch. Liebling, ich werde vollkommen sicher sein, das
verspreche ich dir. Ich werde zurück in England sein, bevor du noch dein
Porträt von diesem hageren Küchenmädchen beendet hast.«
»Warum
musst du so bald weg?« Charlotte entzog sich ihm, ging zum Fenster und starrte
in die dunklen Gärten hinaus. Sie war untröstlich.
Alex
stellte sich hinter sie und zog die Vorhänge zu. »Wir dürfen keine Zeit
verlieren.« Charlotte wusste, was er meinte. Die Dreizehnjährige ... Er schlang
die Arme von hinten um sie und Charlotte lehnte sich an ihn. In ihren Händen
zerknüllte sie ein Stück des Samtvorhangs.
»Ich
verstehe nicht, warum du für Lord Breksby nach Paris gehen musst. Paris ist
bestimmt der gefährlichste Ort von
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